Ohrenschmeichler 2 Tim 4,1-8

Anfangs hat mich gefreut, wenn jemand sagte, eine Predigt sei „sehr schön“ gewesen. Heute frage ich manchmal nach: „Was war denn das Wichtigste für Sie?“ Nach überwundenem Schreck kommt dann oft so was wie: „Ach das war irgendwie alles sehr schön!“ Dann bin ich es, der erschrickt.

Und zwar über mich selbst: Du hast eine gefällige und gefühlige, wortschöne und harmlose, garantiert angriffsflächenfreie Wohlfühlpredigt gehalten. Und es hat ihnen gefallen. Sehr sogar.

Warum? Weil ich mich offenbar als „Ohrenschmeichler“ betätigt hatte. So nennt Paulus Leute, die, anstatt das Evangelium zu verkünden, zu hofierten Lehrern von „Fabeleien“ nach Geschmack und Lust der Leute werden.

Zu den „Ohrenschmeichlern“ gehören die Kirchenvolkstribune der sozialen Medien, deren Lebensqualität mit der Zahl ihrer Follower oder Klicks steht und fällt. Die Salonkleriker sind dabei, die eine geradezu erotische Affinität zu alter und neuer Macht haben. Und jeder von uns zählt dazu, der mit Worten schon mal gefallen wollte.

Solange wir der Versuchung zum Schmeicheln und zum Geschmeicheltwerden nicht widerstehen, müssen wir uns nicht wundern, wenn kaum jemand mehr mit einer ernsthaften Erschütterung Gottes zu rechnen hat.

Suchen wir nach den verborgenen kernigen Männern und Frauen, die so sind, wie Paulus sich den Timotheus wünscht: „Du aber sei in allem nüchtern,“ schreibt Paulus ihm zum Schluss, „ertrage das Leiden, verrichte dein Werk als Verkünder des Evangeliums, erfülle treu deinen Dienst.“

Wo wir von denen lernen, da wird das Evangelium nicht mehr gefällig sein, sondern eine machtvolle Schule zum Leben mit Gott.
Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie