Die Ambivalenz der Macht 2 Kön 19,9b-11.14-21.31-35a.36

Der assyrische König Sanherib belagert Jerusalem. Dabei spottet die Polemik der Macht über das scheinbar vergebliche Vertrauen des Königs Hiskija in seinen Gott, der nur ein weiterer unter den bereits beseitigten Göttern sei. Später wird die Kirche selbst Trägerin weltlicher Macht sein. Und bis heute ist sie versucht, sich der Logik dieser Macht zu beugen.

Heute erleben wir, wie der Kirche nach 1700 Jahren sowohl ihre Teilhabe an weltlicher Macht als auch die entsprechenden Mechanismen in ihr genommen werden:

Beim Versuch, zugleich dem Evangelium und irdischer Macht und Mehrheit treu zu sein, bleiben vom Evangelium nur noch „Werte“ insofern sie mit den Wertungen der Mehrheit konform sind.

Auf der anderen Seite hat der Versuch, geistliche Macht mit irdischen Machtmitteln durchzusetzen, die Kirche nicht weniger korrumpiert und verweltlicht.

Aber die Kirche ist wiederum auch nicht nur eine spirituelle Größe. Sie ist „Volk“ und „Leib“, „Salz“ und „Licht“. Sie soll dem Gemeinwesen dienen, ohne sich mit der Logik von Macht und Mehrheit gemein zu machen. Sie hat die Errungenschaften der freiheitlichen Demokratie zu schützen, ohne sich für ein hinkendes System vereinnahmen oder mit einer staatlich organisierten Finanzierung erpressen zu lassen.

Jerusalem bleibt zunächst unversehrt. Doch später wird ihr alle weltliche Macht genommen. Übrig bleibt der scheinbar machtlose „Rest“ im Exil, mit dem Gott die Geschichte seines Volkes und seiner Botschaft in der Welt fortsetzt.

Zeige mir, Herr,
die verspotteten Treuen
in der Welt,
und öffne mein Herz
für ihr Zeugnis,
damit ich mit ihnen
der Macht
Deiner wehrlosen Liebe
diene.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie