Allzu stille Nacht (Weihnachten II) Joh 1,1–18

„Bitte keine stille Nacht“ wirbt eine Münchener Hilfsorganisation für einsame ältere Menschen. Denn für die ist eine wirklich „stille“ Heilige Nacht unerträglich. Aber nicht nur für sie. Viele singen gerührt „Stille Nacht“, aber nur wenige halten sie aus – die Stille.

Dabei brauchen wir sie, um einander hören zu können – besonders die leisen Töne. Die Stille, das Schweigen gehört zum Geheimnis der Weihnacht: „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht in ihrem Lauf bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron“, heißt es im Buch der Weisheit (18,14-15a).

Die ersten Christen lasen das als Prophetie über die Menschwerdung: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Gott belässt es nicht dabei, dass er zu uns spricht. Er sagt sich selbst aus. Das Wort Gottes, der Logos, der Sinn und die Bedeutung der Welt zeigen sich – in der Gestalt des Menschen Jesus aus Nazareth.

Nun wird häufig gesagt, weil das Wort Fleisch geworden ist, sollten wir von Gott nicht mehr reden, sondern das, was wir glauben, nur noch tun.

Es stimmt, der Kirche täten weniger Gerede, weniger Politiker-Sprech und weniger Allerweltsweisheiten gut.

Und ja, wir sollen auch tun, was wir glauben. Aber wir können das, was wir glauben, nicht tun, wenn wir es nicht vorher gehörthaben. Deshalb sollten wir weniger überGott und mehr mit und von Gott sprechen. Gerade dort, wo es auch am helllichten Tag noch allzu stille Nacht ist.

Gott wird Mensch,
damit wir mit ihm lieben
und seine Liebe erfahrbar machen.
Gott wird Mensch
damit wir mit und von ihm reden
und seine Liebe erkennbar machen.

Komm,
göttliches Kind,
und mach unsere allzu stille Nacht
zur heiligen Nacht.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie