Ehe und Zölibat 1 Kor 7,32-35

Der Zölibat ärgert, wo er für eine leibfeindliche Disziplinarmaßnahme gehalten und lieblos verwirklicht wird. Der Zölibat tröstet, wo er eine Liebesgeschichte mit Gott ist und so verfügbar für die Menschen macht.

Die Ehe ärgert, wo sie beansprucht, exklusiv und lebenslänglich zu sein, oder wo sie lieblos gelebt wird. Die Ehe tröstet, wo zwei miteinander ein Zuhause werden für viele und ein Zeugnis für die Sorge Gottes geben.

Paulus beschreibt das Ideal der Zölibatären, die um Gottes Willen „ungeteilt“ für Gott da sein können. Und er benennt den Konflikt der Eheleute, wo sie „geteilt“ sind zwischen Dasein für Gott und Dasein für den Nächsten.

Es gibt aber auch das Ideal der Eheleute und den Konflikt der Zölibatären: das Ideal, dass einer ungeteilt mit Gott für den geliebten Anderen da ist; und den Konflikt, dass einer scheinbar ungeteilt für Gott und in Wirklichkeit nur für sich selbst lebt.

Wo Eheleute und Zölibatäre ihrer Berufung gemäß leben, haben sie einander (und allen, die irgendwo zwischen den Stühlen stehen) Wichtiges zu sagen: Was die Priorität der einen ist, soll die Konsequenz der anderen sein.

Die Zölibatären sollen „ungeteilt“ zuerst mit den Menschen für Gott und dann mit Gott für die Menschen da sein. Die Eheleute sollen „ungeteilt“ zuerst mit Gott für die Menschen und dann mit den Menschen für Gott da sein.

Neulich bei verheirateten Freunden: Sie haben fünf Söhne zwischen 21 und 13. Mittlerweile arbeitet auch sie wieder. Es gibt keine Hilfe im Haus. Das Haus ist die Sache aller und ein Ort für viele.

Mit einer solchen ungeteilte Hingabe wie die der beiden mit Gott aneinander und miteinander für ihre Kinder und für Leute wie mich – so möchte ich für Gott und mit Gott für die anderen da sein.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Warum verfolgst Du mich? Apg 22, 1a.3-16 (Wdh)

Liebe Freunde,

heute mit etwas Verspätung einige Gedanken zum Fest der Bekehrung des hl. Paulus.

Auf dem Weg nach Damaskus, wo Saulus (später Paulus) die Christengemeinde vernichten will, stürzt er, vom Licht überwältigt, zu Boden und hört eine Stimme sagen: „Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apg 22,8 und 9,5). Jesus spricht hier von der verfolgten Kirche, und er spricht von sich. Es gibt zwei Weisen, wie Menschen „Träger“ der Gegenwart Christi werden.

Das sind zum einen die, mit denen sich Christus identifiziert: nämlich jeder einzelne Mensch. „Denn der Sohn Gottes“, sagt das Zweite Vatikanische Konzil, „hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (GS 22,2) Das gilt besonders von den Armen und Kranken und den „geringsten Brüdern und Schwestern“ (Mt 25,40). Was wir ihnen tun, haben wir IHM getan. Und es gilt auch den von Gott „Gesonderten“, den Sündern, an deren Stelle er tritt. Zu ihnen gehören auch wir.

Zum anderen sind die „Träger“ seiner Gegenwart jene, die sich mit Christus identifizieren. Das sind jene , die sich als Antwort auf sein Kommen nun ihrerseits mit ihm verbinden, weil sie in Glaube, Taufe und Bekenntnis, „in Gedanken, Worten und Werken“ seine Stelle einnehmen. Von ihnen sagt Jesus: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10,16), und „Wo ich bin, da wird auch mein Diener sein (Joh 12,26). Von ihnen spricht Jesus, wenn er den Paulus fragt: „Warum verfolgst du mich?“

Wir sind schon die, mit denen sich Jesus identifiziert hat und an deren Stelle er tritt. Im Glauben und in der Liebe werden wir immer mehr die, die sich mit Jesus identifizieren und die an seine Stelle treten, um mit ihm zu leben, zu lieben und zu leiden.

Wollen wir das?

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Haben, als hätten wir nicht 1 Kor 7,29-31

Der Rat des Paulus an die Korinther irritiert: „Wer eine Frau hat, soll sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine“ (1 Kor 7,29). Klingt wie die Filmszenen, in den Männer heimlich ihren Ehering vom Finger ziehen, wenn sie einer attraktiven Frau begegnen.

Aber es geht hier nicht darum, die Ehe nicht ernst zu nehmen. Paulus steht unter dem Eindruck des Anbruchs einer neuen Zeit. Gott der Sohn hat sich den Menschen als Mensch geoffenbart. Er hat nach seinem Tod und seiner Auferstehung seine Gegenwart in der Kraft des Heiligen Geistes versprochen, um die Seinen zu sammeln und zu senden und die Welt zu Gott dem Vater nachhause zu bringen.

Diese neue Zeit hat für Paulus etwas Drängendes. Das Ankommen bei Gott steht jeweils kurz bevor. Für den Einzelnen und für die Welt. Bis heute. Alles muss auf den Prüfstand, damals wie heute: unsere Beziehungen und Empfindungen, die Dinge, die uns oder denen wir zur Verfügung stehen. Alles muss sich vor der Frage bewähren, ob es dem Weg mit Gott und zu Gott dient oder nicht. Denn „die Gestalt dieser Welt vergeht“.

Daran erinnern uns Männer und Frauen, die auf Ehe und Familie, auf irdische Güter und eine bürgerlich-sichere Existenz verzichtet haben; Ehepartner, die einander ganz angenommen und ganz freigegeben haben, um nicht nur beieinander, sondern miteinander bei Gott anzukommen; reiche und großzügige Menschen, die haben, als hätten sie nicht, und denen man mit ihrem Vermögen nicht zugleich ihr Leben nehmen kann.

Wir verachten die Welt nicht, sondern im Gegenteil; die die Welt kommt in Ordnung, wenn wir ernst damit machen, dass sie uns nicht gehört. Wir sind mit der Welt im Aufbruch zu Gott. Und, so sagt Hans Urs von Balthasar,  „uns ist die Zeit nur auf jederzeit mögliche Kündigung geliehen.“

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Bei Dir zuhause bleiben Joh 1,35-42

„Wo bleibst Du?“ frage ich einen, der säumig ist, obwohl es Zeit ist zu gehen.

„Wo bleibst Du?“ frage ich den, der übrigbleibt, weil an ihn nicht gedacht wurde.

Wo bleibst Du?“, fragen die beiden Männer Jesus wörtlich übersetzt im heutigen Evangelium (Joh 1,38).

Uns wird derzeit oft gesagt, wir sollten zuhause bleiben. Aber wo ist eigentlich mein Zuhause? Zuhause ist, wo ich bleiben kann. Aber vielen fällt das Bleiben schwer. Denn unser Zuhause ist nicht nur unsere Bleibe. Es ist auch der Ort, von wo ich aufbreche und zu dem ich heimkomme.

„Wo bleibst Du?“, fragen die Jünger. Das ist keine Frage an den Nachzügler und keine Frage an den Übriggeblieben. „Wir suchen Dich“, wollen sie sagen, „wo lässt Du Dich finden? Wo können wir bei Dir sein?“

„Kommt und seht!“, antwortet Jesus den beiden. Und der Evangelist sagt, sie gingen, sie sahen und sie blieben.

Das ist nicht nur ein Tages- sondern ein Lebensprogramm: zu und mit Jesus gehen (weil er der Weg ist), Jesus und mit ihm die Wirklichkeit sehen (weil er die Wahrheitist), bei Jesus und mit Jesus bleiben(weil er das Leben ist, Joh 14,6).

Heute kommt es auf das Bleiben an. Darauf, dass ich bei ihm bleibe. Auch wenn mir zuhause die Decke auf den Kopf fällt. Darauf, dass ich auf ihn höre wie Samuel in der Nacht. Darauf, dass ich mit ihm verbunden bleibe, im Leib und im Geist, im Ruhen und Tun. Heute kommt es darauf an, dass ich zuhause bei ihm bleibe, damit ich bei ihm zuhause bleibe, auch wenn ich wieder aufbreche und weitergehe.

„Bleiben Sie zuhause“, wird mir gesagt. So mag das gehen: indem ich zuhause bei Ihm und bei Ihm zuhause bleibe – daheim und wohin immer Er mit mir geht.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Uns steht das Wasser bis zum Hals Mk 1, 7–11

Von einem Menschen, dessen Not an den Rand des Lebbaren geht, sagt man: „Ihm steht das Wasser bis zum Hals.“ Mehr darf nicht kommen – oder er ertrinkt.

Viele, die heute um ihr wirtschaftliches oder familiäres, körperliches oder psychisches Überleben kämpfen, könnten das sagen: „Mir steht das Wasser bis zum Hals!“ (vgl. Ps 69,2)

Auf alten Darstellungen der Taufe Jesu ist es Jesus, dem das Wasser bis zum Hals steht. Der Jordan wird hier zum Bild des Todes, auf dessen Grund die verblassten Gestalten der Verstorbenen anwesen.

„Hatte Jesus es nötig, sich von Johannes als Zeichen der Umkehr taufen zu lassen?“ könnten wir fragen. Und Augustinus fragt zurück: „Hatte der Herr nötig, geboren zu werden? Hatte der Herr nötig, gekreuzigt zu werden? Hatte der Herr nötig, zu sterben?“

Nicht er hatte es nötig, sondern wir. Jesus reiht sich ein in die Schlange der Menschen, denen das Wasser bis zum Hals steht. Die zum Jordan kommen, weil sie spüren, dass es so nicht mehr weiter gehen kann.

Er geht ihren Weg mit – bis ganz nach unten. Nicht zufällig wird der Ort der Taufe Jesu am tiefsten Punkt der Erdoberfläche verehrt: nahe der Jordan-Mündung am Toten Meer (428 m unter Meeresspiegel).

Weihnachten endet liturgisch an der tiefsten Stelle der Welt. Gerade dort offenbaren der Vater und der Geist Jesus als den geliebte Sohn und authentischen Offenbarer Gottes. Aus der Umkehrtaufe des Johannes wird unsere Eintauchung in die Teilhabe am Leben Jesu.

In Ihm kommt Gott an unsere tiefste Stelle, an der uns das Wasser bis zum Hals steht. Und wir dürfen ihm glauben, dass er mit uns durchs Wasser ins neue Leben geht und dass wir jetzt schon geliebte Töchter und Söhne im Sohn sind.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie