Heuschrecken und Wilder Honig Teil 4: AHNENALIBI Lk 3,8

Als Student half ich einmal einem Onkel, einem Benediktinermönch, beim Sortieren einer Schublade mit allen möglichen Papieren. Irgendwann standen wir beide versonnen vor einer Ahnenliste. Sie reichte von der heiligen Hedwig von Schlesien (+1243) bis zu seinen Eltern und meinen Großeltern. 23 Generationen.

Geheimnisvoll stand die Geschichte der Weitergabe des Lebens von Epoche zu Epoche, Generation zu Generation und Lebensgeschichte zu Lebensgeschichte vor uns. Es lag eine eigentümliche Mischung von Größe und Schwere darin.

Irgendwann bemerkte der Onkel nüchtern: „Naja, wahrscheinlich stammt der halbe Konvent von der heiligen Hedwig ab. Nur können die es nicht nachweisen.“ Damit war die Sache gegessen und das Papier verschwand in einem der neu angelegten Ordner.

Bei seinem schroffen Umkehrruf nimmt Johannes der Täufer ein mögliches Alibi gleich vorweg: „Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen, und fangt nicht an, bei euch zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater! Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken!“ (Lk 3,8)

Fangt gar nicht erst damit an! Eure Vorfahren, eure Familiengeschichte, eure Herkunft sind keine Ausrede. Es geht um euch selbst. Ihr selbst seid es, deren Umkehr fruchtbar werden soll.

Es gibt zwei Weisen, wie unsere Ahnen zum Alibi werden können: Entweder weil wir uns ihre Verdienste zugutehalten oder indem wir uns mit ihrer Schuld entschuldigen.

Es ist richtig, dass von unseren Vorfahren beides auf uns kommt: zum einen eine bestimmte Tradition und Kultur, eine Haltung zu Gott und den Menschen; zum anderen die Prägung von dem, was unsere Vorfahren erlitten oder verbrochen haben.

Nach beidem sollen wir fragen, beidem müssen wir uns stellen, beides haben wir erst einmal anzunehmen. Für das eine gilt es zu danken, es sich anzueignen und weiterzuentwickeln – und angesichts des anderen ist um Lösung, Heilung und Vergebung zu bitten.

Aber wir werden eines Tages nicht nach dem beurteilt, was durch unsere Vorfahren auf uns gekommen ist. Sondern danach, wie wir mit diesem unserem Erbe umgegangen sind.

Die Rückfrage der Scharen auf das Verdikt des Täufers wirkt ratlos: „Was sollen wir denn tun?“  Johannes verlangt nichts Großes – oder vielmehr im Kleinen das Große. Es geht schlicht darum, dass naheliegende Gute zu tun und das Böse zu unterlassen: Allen gebietet er zu teilen, was sie haben. Die Zöllner sollen nicht mehr nehmen, als ihnen zusteht, und die Soldaten niemanden misshandeln oder erpressen und sich mit dem Sold begnügen (Lk 3,10-14).

Daran musste ich am Sonntag bei der Lesung der Zehn Gebote denken (Ex 20,1-17), dass wir das scheinbar Kleine in Treue tun sollen: Gott Raum geben. Mit ihm den Nächsten erkennen und lieben. Die ehren, denen Ehre gebührt. Uns der Wahrheit stellen, ihr die Ehre geben und uns und andere nicht länger belügen. Und dem Nächsten das Seine von Herzen gönnen anstatt es ihm zu neiden.

Das gilt auch gegenüber den Vorfahren und ihrem Erbe. Mit Gottes Hilfe können wir uns unserem Erbe stellen – im Guten und im Bösen. Die Vorfahren dürfen wir dem Erbarmen Gottes anvertrauen. Für unser eigenes Leben sollen wir Rechenschaft geben.

Die Frucht, die daraus erwächst, wird groß sein…

Fra‘ Georg Lengerke.

Schott Tagesliturgie