Bis in die 80ger Jahre hinein stand in deutschen Reisepässen ein Angabenfeld „Besondere Kennzeichen“. „Blinddarmnarbe“ hätte da stehen können. Das Feld war bei mir aber leer.
Weil die Jünger den Auferstandenen nicht erkennen, weist er sich aus. Sein Ausweis sind „besondere Kennzeichen“: die Wundmale an Händen und Füßen.
Es sind Wunden, nicht Narben, die die Jünger sehen. Die Goldene Legende (Legenda Aurea, 13. Jh) berichtet, wie sich dem Hl. Martin von Tours eine herrliche Gestalt als der auferstandene Christus ausgibt. Martin entlarvt den Betrug des Versuchers: „Ich werde nicht glauben, Christus sei gekommen, außer ich sehe ihn in der Gestalt, in der gelitten hat, und mit den Wundmalen seiner Kreuzigung.“
Was sagt uns der Ausweis der Wunden?
Die Wunden sagen: „Ich bin es!“ Ich bin derselbe, den Ihr gehört, dem Ihr geglaubt habt und dem Ihr nachgefolgt seid, der gegeißelt und gekreuzigt wurde, um den Ihr getrauert und den Ihr aufgegeben habt.
Die Wunden sagen: „So bin ich!“ Ich halte mein Wort, weil der Vater sein Wort hält. Ich lasse mich nicht herauswerfen aus der Welt oder aus Eurem Leben. Ich habe Eure Wunden zu meinen Wunden gemacht.
Die Wunden sagen: „So seid Ihr!“ Weil auch Ihr Wunden tragt. Und weil auch Ihr Wunden schlagt. Ich leide Eure Leiden – jene, die Ihr selbst tragt, und jene, die Ihr anderen zufügt.
Und die Wunden sagen: „So wird es sein!“ Alles wird einmal vor Gott kommen und dort geheilt, versöhnt und vollendet werden.
Nach Ostern habe ich im Libanon über diese Stelle gepredigt. Vor mir saß der zwölfjährige Toufic – den Kopf voller Wunden. Und ich dachte: Diese Heilung, Versöhnung und Vollendung beginnt schon da, wo wir die Wunden der Menschen berühren, die Jesus zu seinen gemacht hat.
Fra’ Georg Lengerke