Abseits der Öffentlichkeit heilt Jesus einen Taubstummen. Auch wir sind hier abseits der Weltöffentlichkeit etwas außerhalb von Faraya, einem Skiort in Libanongebirge nordöstlich von Beirut. Die vielen schwerst-mehrfach behinderten Gäste, die hier in einem Malteserhaus von jungen Leuten aus Deutschland und dem Libanon eins zu eins betreut werden, geben viele Geräusche von sich. Laute und leise. Frohe und traurige. Solche, deren Bedeutung erratbar ist, und solche, die scheinbar keine haben. Manche sagen gar nichts, einige sind taub.
„Effata“, sagt Jesus, als er die Ohren und den Mund des Taubstummen berührt: „Öffne dich!“. Ich habe dieses fremde Wort zum ersten Mal im Alter von 12 Tagen gehört. Das war bei meiner Taufe. Allen Getauften wird das gesagt: „Öffne Dich!“ und dabei werden unsere Ohren und unser Mund berührt, damit wir – so sagt das Formular der Taufe – das Wort Gottes hören und es verkünden.
Ich frage mich, ob Jesus hier unseren Gästen die Ohren und den Mund öffnen will. Kann schon sein. Aber was ist denn erst einmal mit uns, denen in der Taufe die Ohren und der Mund schon geöffnet wurden? Eine solche Gabe muss doch angenommen und geübt werden, um wirksam ausgeübt werden zu können. Warum also höre ich so wenig von Gott? Und warum bekommen Menschen von mir so wenig von Gott zu hören?
Hier draußen – abseits der Weltöffentlichkeit und angesichts der Not unserer Gäste und dieses Landes – fangen wir an von Gott zu sprechen. Von der Liebe und dem Vertrauen der Menschen zu ihm in diesem blutenden Land. Von seiner Liebe zu uns Menschen, die in den Schmerz geht. Und davon, dass er Mitliebende sucht – besonders zu den Kleinsten und Schwächsten und Gefährdetsten. Heute in der Messe habe ich vor lauter Rufen der Gäste fast mein eigenes Wort nicht gehört.
Vielleicht redet es sich leichter von Gott unter Menschen, die ihren Rufen ungeniert freien Lauf lassen.
Fra‘ Georg Lengerke