„Celebrity“ nennt man auf Englisch (und Neudeutsch) eine bekannte Persönlichkeit von großem öffentlichen Interesse. Mich lässt das Wort an eine „gefeierte“ Persönlichkeit denken, die ein etwas künstlicher Raum der Verehrung umgibt.
Auch Jesus scheint ein solcher Raum zu umgeben als er auf dem Weg nach Jerusalem durch Jericho kommt. Ein blinder Bettler hört von ihm und schreit sich die Seele aus dem Leib: „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!“ (Mk 10,47)
Die Umstehenden fahren ihn an, er solle schweigen. Der Schrei nach Jesus stört. Er stört das feierliche Empfinden und das Bild, das die Leute sich vom Verehrten machen.
Der Schrei nach Jesus hat es in der Kirche bis heute schwer. Die einen halten ihn für eine frömmelnde Bigotterie. Für andere erschöpft sich die Ansprache Jesu in Formeln und Gebeten, die weder von Herzen kommen noch zu Herzen gehen. Wieder andere sind selbst so sehr mit Gerede und Streit beschäftigt, dass der Ruf nach dem Erbarmen Jesu überhört wird.
„Ruft ihn her!“, trägt Jesus denen auf, die gerade noch die Celebrity-Zone aufrecht erhalten wollten. Das macht die Kirche aus: dass der Ruf der Armen nach dem rettenden Erbarmen Gottes vernehmbar und gehört wird – und dass ihnen die Antwort Jesu ausgerichtet wird: „Hab nur Mut, steh auf, er ruft Dich!“
Er „warf seinen Mantel weg“, sagt Markus. Fast nackt findet der Blinde hörend zu Jesus.
Eine „Celebrity“ ist nicht nur eine gefeierte Persönlichkeit. Sie ist auch eine Projektionsfläche, in der jeder sieht, was er gerne möchte. Der Blinde kommt nackt und ohne Jesus zu sehen, um von ihm gesehen zu werden und sehen zu lernen.
Das ist die Chance der noch Blinderen, die den Blinden gerade noch zum Schweigen bringen wollten, damit er ihr Bild nicht stört: dass sie durch den Blinden ihre Blindheit erkennen und mit ihm zum Sehen kommen.
Fra‘ Georg Lengerke