Mit einem Mal war es mucksmäuschenstill im Hotelsaal in Jerusalem. Einer der führenden jüdischen Gelehrten im jüdisch-katholischen Dialog hatte gerade gesagt, er hielte Jesus von Nazareth für den größten aller Propheten. Aber er könne nicht glauben, dass er der Messias sei. Das Erstaunen einiger Pilger erstaunte wiederum mich.
Dann sprachen wir über die jüdische Erwartung des Messias als mächtige politische Figur mit göttlicher Vollmacht. Und über die christliche Erwartung der Wiederkunft Christi als Vollender des Alls und der Weltgeschichte und jedes einzelnen Lebens, der „in Wolken […]
mit großer Kraft und Herrlichkeit“ erscheint.
Wir wären bessere Christen, wenn wir uns etwas von der Sehnsucht abschauten, mit der die Juden auf den Messias warten. Stattdessen ist die Wiederkunft Christi für die meisten Christen kein Thema. Dabei reden wir in jeder Heiligen Messe mehrmals von ihr:
Im Glaubensbekenntnis sagen wir, dass Christus in Herrlichkeit wiederkommt, um die Lebenden und Toten zu richten. Menschliches Richten hat nicht das letzte Wort, die Verachteten der Welt bekommen Recht und auch mein Leben kommt ins Lot, wo Gottes Gerechtigkeit und seine Barmherzigkeit eins sein werden.
Nach dem Abendmahlsbericht spricht die Gemeinde das „Geheimnis des Glaubens“ aus: Wir leben nicht einfach so dahin und warten ab, bis der Herr kommt. Weil er ein Mensch geworden ist und seinen Geist in unsere Herzen sendet, deshalb leben wir mit ihm, lieben wir mit ihm, feiern ihn und erzählen von ihm: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“.
Und am Ende des Vaterunsers, im sogenannten „Embolismus“, bitten wir für die uns bleibende Zeit, dass Gott unseren Tagen Frieden gebe, uns mit seinem Erbarmen zu Hilfe komme und uns vor Verwirrung und Sünde bewahre „damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.“
Es war ein gutes Gespräch damals in Jerusalem. Am Ende sagte der Rabbi lächelnd: „When the Messiah is coming, I might go and ask him: ‚Excuse me, Sir, have you been here before?’”
Da wäre ich dann gerne dabei. Und einer von uns beiden wird überrascht sein. Aber ich bin mir sicher: Wir beide werden uns miteinander freuen können.
Fra‘ Georg Lengerke