Ich lese das Evangelium von der Ablehnung Jesu in seiner Heimat am Donnerstag im Flugzeug nach Beirut. Dort gebe ich Einkehrtage für junge Leute die dort ein Auslandsjahr mit den Maltesern verbringen. Ich habe von diesem Projekt in den BetDenkzetteln schon öfters erzählt. Und manchmal stelle auch ich mir die Frage, wie sie den Nazarenern unausgesprochen auf dem Herzen liegt: Warum tust Du all diese großen Dinge in Kafarnaum, aber nicht bei uns in Deiner Heimatstadt?
Warum müssen junge Leute Sommer für Sommer in den Libanon oder sonst wohin fahren, um dort für Menschen in Not da zu sein? Warum machen die das nicht zuhause in Deutschland?
Jesus beantwortet die von ihm ans Licht gebrachte Frage nicht. Aber er nennt zwei Beispiele aus dem Leben Elijas und Elischas, bei denen Gott das Wunder gerade nicht bei denen wirkt, die meinen, ein Recht darauf zu haben. Sondern bei denen, die von den vermeintlichen Rechtsinhabern am meisten verachtet werden.
Deshalb treibt mich die im Evangelium unbeantwortete Frage um, warum bei mir zuhause Gott oft so fern und ohnmächtig und in mir fremden Weltgegenden dafür so nah und konkret mächtig zu sein scheint.
Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir gar nicht die Adressaten des Messias sein wollen, von denen der Prophet Jesaja spricht, aus dem Jesus letzten Sonntag im Evangelium vorgelesen hatte: die Armen, denen er die frohe Botschaft, denen Gefangenen, denen er die Freiheit, und den Blinden, denen er das Augenlicht verkündet, und die Zerschlagenen, die er in Freiheit setzt.
Ich spüre, dass es leichter ist, so sein zu wollen, wie der Messias bei Jesaja, als so wie die, zu denen er gesandt ist. Ich möchte nicht für arm, blind, gefangen und zerschlagen gehalten werden. Sondern für einen der auf der Seite Jesu für sie da ist – oder für einen, auf dessen Seite Jesus ist, im Kampf für eine bessere Welt.
Aber wo ich nur wie Jesus sein will, anstatt mir von ihm etwas sagen und gefallen zu lassen, wo ich Jesus auf meine Seite geholt habe, anstatt mich auf seine Seite ziehen zu lassen, da ist Nazareth! Nur: Anstatt ihn von der Klippe zu stoßen, haben wir ihn bis zur Unkenntlichkeit vereinnahmt.
Unter mir jetzt das Mittelmeer, dann die Armenviertel von Beirut. Vielleicht müssen wir für die Armen da sein, die uns noch fremd sind, damit uns unsere Armut nicht länger fremd ist. Vielleicht müssen wir zu den Armen gehen, die für Gott offen sind, um zu merken, dass Gott für uns offen ist.
Wenn junge Menschen so wieder nach Hause kommen, dann wird Jesus auch in ihrem deutschen Nazareth die Wunder tun, die er in Kafarnaum oder auf dem Libanon getan hat.
Fra‘ Georg Lengerke