Selig1: Arm um reich zu sein Mt 5,3

Am 3. September 2020 feiert der Malteserorden den 500sten Todestag seines Gründers, des seligen Gerhard. Aus diesem Anlass wird es hier eine neunteilige Reihe über die Seligpreisungen geben.

Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich (Mt 5,3).

Manche Armut ist Not, Elend und Entbehrung. Manche Armut ist Wahl, Verzicht und Freiheit für größeren Reichtum. Existentiell arm ist der Mensch, wo er erkennt, dass er sich letztlich durch das, was er hat oder vermag, nicht reicher machen kann. Im Griechischen steht da: „Selig, die Armen im Geiste“ (to pneumati). Gemeint ist nicht der geistig beschränkte Mensch, sondern der Mensch im Licht des Heiligen Geistes, so wie er „vor Gott“ ist.

Immer wenn ich zum Beispiel in Exerzitien für 8 Tage meine Nächsten, meinen Computer, mein Telefon, meine Bücher, meine Korrespondenz und sonstiges Tun zurücklasse, werde ich daran erinnert, was „Armut vor Gott“ meint. Was von dem, was mich in den Augen der Menschen reich macht, hat vor Gott Bestand? Und ich werde erinnert, dass Gott es ist, der mich bleibend reich macht. Wer seine Armut vor Gott erkennt und annimmt, der kann auch leichter seinen Reichtum von Gott annehmen und sich daran freuen.

Arm vor Gott ist nicht, wer über seinen Reichtum hinaus auch noch auf Gott vertraut; sondern wer vor allem Haben sein Leben von Gott empfängt und auf Gott setzt.

Arm vor Gott ist, wer das, was er hat, für andere hat; wer von Gott und den Menschen unverdient beschenkbar bleibt; wer alles verdankt, was er hat, und es lassen kann, wenn es darauf ankommt. Spätestens, wenn es ans Sterben geht – aber schon hier und jetzt dazu bereit, wenn ein Schritt um der Liebe Willen etwas mehr oder alles kosten darf.

Daran erkennt man die Bürger des Himmels, der mit der Menschwerdung Gottes unter uns angebrochen ist.

Lass uns die Armut vor Dir
suchen und lieben,
damit wir für unsere Brüder und Schwestern
haben, was wir haben,
damit wir empfänglich sind für das,
was Du uns mit ihnen schenken willst
und uns schon hier an jenem Reichtum freuen,
den nur Du uns geben kannst.
Amen.
Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Mücken statt Kamele Mt 23,23-26

Bis Mitte letzter Woche war ich in meinen jährlichen Exerzitien. Wie immer gab es vorher ein Informationsschreiben, mit dem üblichen Hinweis: „Es wäre gut, wenn Sie möglichst ausgeruht anreisen würden.“ Denn bei Exerzitien geht es nicht in erster Linie um Erholung, so sehr die auch eine Rolle spielen mag.
Worauf es ankommt, sagt der hl. Ignatius am Anfang seiner Exerzitien: Es geht darum, „sein Leben zu ordnen“ und „sich von seinem Schöpfer in Liebe umarmen zu lassen“.
Der zweite Hinweis bewahrt mich vor einem Irrtum über den ersten. Ich habe lange gemeint, „sein Leben ordnen“ würde bedeuten, meine Selbstorganisation neu aufzustellen. Wie viele unnütze Tages- und Wochenpläne über Schlafens-, Arbeits- und Essenszeiten, Zeiten für Sport, Muße, Freunde habe ich in Exerzitien schon gemacht!
Aber nicht Zeitmanagement ist mein größtes Problem, sondern die Relevanzverschiebung der Pharisäer. Ich mache das Kleine groß und das Große klein. Mir werden Nebensachen zu Hauptsachen und Zwischenziele zu Lebenszielen.
Und über das äußere Leben mit seinen Gewohnheiten und Erwartungen kommt mir das innere Leben abhanden: das unablässige Gespräch meines Schöpfers mit seinem Geschöpf.
Es geht also gerade nicht um Selbstoptimierung, sondern darum, mich „von meinem Schöpfer in Liebe umarmen zu lassen“. Und das heißt, mich mit meinem Schöpfer so ins Benehmen zu setzen, dass ich ihn wieder in allen Dingen suche und finde, der mich „durch die Wirklichkeit umarmt“ (Willi Lambert SJ).
Wo das geschieht, bekommen die Dinge, Aufgaben, Ziele und Beziehungen wieder ihre eigentlich Größe, ihre wirkliche Relevanz und die ihnen zukommende Macht. Nicht mehr und nicht weniger.
Fra’ Georg Lenger

Schott Tagesliturgie

Schlüssel zum Leben Mt 16,13–20

Wozu sind die „Schlüssel des Himmelreichs“ gut, die Petrus anvertraut werden?

„Petrus sollte so von Gott reden, als wäre er schon mal im Himmel gewesen“, hat mir mal ein achtjähriger Schüler gesagt. – Petrus, den Aposteln und ihren Nachfolgern wird die Vollmacht der Sündenvergebung anvertraut, lehrt die Kirche.

Die eine Antwort mag zu blumig, die andere zu technisch klingen. Beide werden plausibler, wenn wir danach fragen, zu welchen „Schlüssen“ die Schlüssel des Himmelreichs noch befähigen.

Die „Schlüssel des Himmelreichs“ gehören zum „Bundesschluss“ zwischen Gott und den Menschen. Der beginnt mit Noah und vollendet sich in Jesus Christus, der ihn für alle Menschen öffnet.

Gottes treue Entschiedenheit wirbt nun um den Beschluss des Menschen, sich diesem Bund und der Gemeinschaft dieses Bundes anzuschließen.

Der Be-schluss wird zum Ent-schluss, wo der Mensch aufbricht und sich frei macht und machen lässt von jenen Bindungen, die ihn trennen von seinem göttlichen Ursprung und ihn hindern an der Annahme seiner göttlichen Würde und Berufung.

Wo er sie findet, wird der Mensch sich jenen anschließen, die diesen Weg bereits gehen. Wo er zurückbleibt, schließt er wieder auf und findet sich eingeschlossen in die gemeinschaftlich bezeugte, aufgeschlossene Liebe Gottes.

Mit den „Schlüsseln des Himmels“
schließt Du
Deinen Bund mit mir.

Du hast mir Himmel und Erde
erschlossen,
– die Welt als Schöpfung,
– das Leben als Liebe,
– den Menschen als Person,
– meinen Nächsten als den Deinen,
– das Wissen als Weisheit,
– den Geist als Feuer
und Dich selbst als ein Mensch.

Damit ich mich entschließe
zu Deinen Wegen
zu meinen Nächsten
und mit ihnen nach Hause
zu Dir.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Unterm Tisch Mt 15,21–28

„Frau wehrt sich erfolgreich gegen Diskriminierung durch Sekte!“ würde die Schlagzeile lauten. Nicht jetzt! Nicht hier! Nicht so! ist Jesu Antwort auf den Hilfeschrei der heidnischen Frau und das Drängen der genervten Jünger.

Jesus zieht nicht einfach Wunder wirkend durch die Welt. Er kommt dort in die Geschichte, wo auf ihn gewartet wurde. Dort sammelt er sich ein Volk, damit seine Geschichte an Pfingsten in der Kirche aus Juden und Heiden weitergeht und er so zu allen Menschen kommen kann.

Die Frau insistiert. Als Fremde teilt sie die Erwartung Israels. Deshalb wird ihr vorweg geschenkt, was an Pfingsten zu allen Menschen kommen soll.

Das ist bis heute so. Gott schenkt der Kirche Gaben für andere und unseren Nächsten Gaben für uns. Unter den Gebern sind Großzügige und Geizhälse, Freudenboten und Miesepeter. Unter den Gaben sind unscheinbare und notwendende – wie das Wort Jesu und die Zeichen seiner Liebe. Manche bekommen wir auf dem Silbertablett, andere beiläufig hingeworfen als wären sie vom Tisch gefallen.

Vielleicht wird es bald auch umgekehrt kommen: Kirchenfremde kommen zu uns wie die Frau zu den Jüngern. Kann sein, dass sie in den Papierkörben unserer Prozesse, Strategien und politischen Wichtigtuereien das unerhörte Wort Jesu finden und unter den Konferenztischen unserer theologischen Tarifverhandlungen das runtergefallene Brot des Lebens. Danach werden wir sehen, wer wem Heiliges und Heilendes zu schenken hat.

Erst wenn wir uns nicht mehr zu fein dafür sind, Gottes heilige Gaben von denen zu empfangen, durch die Er sie uns geben will – egal ob auf dem Tisch oder darunter – erst dann werden wir erkennen, wie reich beschenkte Kinder Gottes wir sind.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Walk across my killing pool! Mt 14,22–33

In der Rockoper „Jesus Christ Superstar“ (1971) will Herodes von Jesus vor allem unterhalten werden: „Prove to me that you’re no fool; / walk across my swimming pool!“

Aber das Gehen auf dem Wasser ist nicht ein sensationelles Kunststück. Es ist ein „Zeichen“. Und ein Zeichen weist über sich selbst hinaus auf Größeres, Grundsätzlicheres.

Jesus überwindet zu den Jüngern im Boot ein für uns unüberwindliches Hindernis. Die Liebe tut so was. Fragt Euch mal, wo Menschen um der Liebe Willen zu Euch hin kaum überwindliche Hindernisse überwunden haben: Angst, Schmerz, Vergebung, Verluste oder berechtigte eigene Interessen.

Davon erzählt die Szene auf dem Wasser. Das Wasser ist Gottes Unerreichbarkeit für uns und unsere Unerreichbarkeit für ihn. Um bei uns zu sein, überwindet die Liebe Gottes in Jesus was uns von ihm trennt, uns hin- und herwirft und uns zu verschlingen droht – Schuld und Leid bis hin zum Tod.

Und er will, dass wir auf genau diesem Wege zu ihm kommen. Petrus weiß, dass es auf den Willen Jesu ankommt und darauf, mit diesem Willen eins zu werden. „Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme!“ – Sag mir, dass ich kommen soll.

Ich mache das seit einigen Jahren immer wieder zu meinem Gebet: „Wenn Du es bist – sag mir, dass ich kommen soll.“ Und dann – hörend, ihn innerlich im Blick und wie mit ausgestreckten Händen – gehe ich los. Das können wir im Kleinen üben, damit wir bereit sind und uns trauen, wenn es zu den letzten Schritten kommt.

Du überwindest den Tod
und alles, was ihm dient,
um bei uns zu sein.

Damit wir den Tod überwinden
und alles, was ihm dient,
um bei Dir zu sein.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie