Martas Wende: Vom Gelernten zur Beziehung (Allerseelen)

Am Allerheiligenfest am Montag ging es um das, was die Verstorbenen für uns tun. Gestern, am Allerseelentag, ging es um das, was wir für die Verstorbenen tun können. 

In einer der Münchener Innenstadtkirchen haben wir gestern das Gespräch zwischen Jesus und Marta von Bethanien über den Tod ihres Bruders Lazarus gelesen. 

Über ihre Wende vom Bescheidwissen über die Auferstehung zur Beziehung zum Auferstandenen handelt die gestern gehaltene Predigt (8:42 Min.).

Fra’ Georg Lengerke.

Schott Tagesliturgie

Das Willkommensfest (Allerheiligen)

Am 15. Juni 2017 um 10:24 Uhr sah ich von weitem die Stadt. Von einer Anhöhe kurz hinter dem Kloster Farfa konnte ich von weitem Rom sehen und die Kuppel von St. Peter am dunstigen Horizont. Am 25. April war ich zu Fuß in Innsbruck aufgebrochen. Nach 53 Tagen sollte ich am 17. Juni in Rom ankommen. Ich hatte noch zwei Tage zu gehen.

Von weitem die Stadt, nach langem Weg das angestrebte und verheißene Ziel sehen – davon handelt das Fest Allerheiligen. Es ist ein Willkommensfest der Heiligen, das schon vor der Ankunft in jener Stadt beginnt, zu der wir noch unterwegs und in der sie bereits angekommen sind.

In der Heiligen Messe von Allerheiligen betet die Kirche: „Heute schauen wir deine heilige Stadt, unsere Heimat, das himmlische Jerusalem. Dort loben dich auf ewig die verherrlichten Glieder der Kirche, unsere Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind. Dorthin pilgern auch wir im Glauben, ermutigt durch ihre Fürsprache und ihr Beispiel und gehen freudig dem Ziel der Verheißung entgegen.“

Auf den Höhen von Farfa blieben mir noch zwei Tage bis zur Ankunft in Rom. Und ich dachte an die unbekannte Reihe von Tagen (vielleicht noch zwei oder hundert oder ein paar tausend) die mir noch bleiben würden bis zur Ankunft an jenem Ziel, an dem wir alle einmal ankommen und vollendet werden sollen.

Allerheiligen ist ein Willkommensfest. Wir stehen in der kommunizierenden Gemeinschaft mit denen, die vor uns geglaubt, gehofft und geliebt und mit ihrem Leib und Leben die Liebe Gottes erfahrbar und erkennbar gemacht haben.

Zwei Tage nach Farfa stand ich mittags auf dem Petersplatz. Der Platz war erwartungsgemäß fast leer. Aber die weiten Arme der Kollonaden von St. Peter hatten mich aufgenommen. Und auf ihnen sah ich die Statuen der Apostel und 140 Heiligen, deren Freude auf uns wartet und uns in ihrem Zeugnis schon heute entgegenkommt.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Liebe deinen Nächsten – nur nicht wie dich selbst Mk 12,28b–34

Der kleine Matteo wird neulich von seinem Vater gefragt, wer im Kindergarten sein Freund sei. Sagt er: „Emil und Ferdinand. Und ich!“ Der Vater erstaunt: „Du?“ Darauf das Kind: „Ja, ich habe mich sehr gern!“

Viele Erwachsene können das nicht von sich sagen. „Die Annahme seiner selbst“, so der Titel eines Buches von Romano Guardini, ist für viele Menschen ein Problem.

„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, zitiert Jesus das Buch Levitikus (19,18). Doch wenn ich sehe, wie manche Menschen mit sich selbst umgehen, möchte ich ihnen sagen: Liebe deinen Nächsten – nur bitte nicht wie dich selbst. „Wer mit sich schlecht umgeht,“ sagt Bernhard von Clairvaux, „wem kann der gut sein?“

Das Gebot der Nächstenliebe ist ein „zweites“ in einem Doppelpack. Jesus stellt ihm ein „erstes“ voran: das Gebot der Liebe zu Gott. Warum geht die Gottesliebe der Nächstenliebe voraus? Weil die Liebe Gottes unserer Liebe vorausgeht. Wir sind als erstes Geliebte und erst danach Liebende. In unseren menschlichen Beziehungen wie in unserer Beziehung zu Gott.

Wir können uns nicht genau so lieben, wie einen anderen, weil wir kein anderer sind als wir selbst. Aber wir dürfen bejahen, dass wir geliebt werden. Von Menschen und von Gott. Sich lieben lassen – das ist der Weg, auf dem wir Liebende werden.

Von Franz von Assisi wird erzählt, er habe weinend gerufen: „Die Liebe wird nicht geliebt!“ Die Liebe, die Gott ist und für uns hat, wird nicht geliebt. Wo wir ihr aber mit Liebe antworten, dort werden wir mehr und mehr einverstanden sein mit seiner Liebe zu uns – und hineingenommen werden in seine Liebe zu unseren Nächsten.

„Nur nicht wie dich selbst“ ist vielleicht etwas unfreundlich. Eher so: Liebe mit Gott, der aus Liebe zu Dir und Deinem Nächsten Mensch wird. Liebe deinen Nächsten wie Gott dich selbst.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Bedeutet das Leiden nichts? Oder alles? (Röm 8,18-25)

“Ich bin überzeugt”, schreibt Paulus der Gemeinde in Rom, “dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.” Ist es verwunderlich, dass Menschen den Eindruck bekamen, Christen würden das Leiden dieser Zeit mit Verweis auf den Himmel verharmlosen? Ist es ein Zufall, dass wir es heute mit der gegenteiligen These zu tun haben: dass das Leiden der Gegenwart “alles” bedeutet und wir deshalb alles tun müssen und alles erlaubt ist, um die Leiden dieser Zeit auszurotten – selbst wenn das bedeutete, mit dem Leid auch die Leidenden abzuschaffen.

Paulus verharmlost nicht das Leiden. Er staunt vielmehr über das Große, das auf uns wartet und uns in einem Menschen irdisch schon entgegen gekommen ist: die Herrlichkeit Gottes.

Dazu gab es eine kurze Predigt (3:44 Min) in St. Peter in München am vergangenen Dienstag. Die Texte dazu finden sich hier: https://www.erzabtei-beuron.de/schott/schott_anz/index.html?datum=2021-10-26

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie