Ene, mene, miste 1 Kön 18,20-39

Entscheidungen können schwer fallen. Aufschub macht’s oft nicht leichter. Ein Kinderreim wie „Ene, mene miste“ ist zu gefährlich. Viele versuchen, statt einer Entscheidung jeweils beides mitzunehmen: von Konsumgütern über Lebenspartner bis hin zur Frage nach Gott oder den Göttern.

Wer bei der letzten Frage Entscheidungen vermeidet, sagt Elija auf dem Berg Karmel, der „hinkt nach beiden Seiten“. Drei Entscheidungshilfen mag uns der Prophet Elija geben:

1. Gott selbst wirbt um den Menschen, nicht Elija. Der eröffnet nur einen Raum, indem Gott selbst sich offenbaren und das Volk sich entscheiden kann.

2. Unentschiedenheit ist manchmal schlimmer als eine Fehlentscheidung. Entscheidet Euch für das als wahr Erkannte – auch auf die Gefahr einer falschen Entscheidung hin. „Wenn Jahwe der wahre Gott ist, dann folgt ihm! Wenn aber Baal es ist, dann folgt diesem!“

3. Elija stellt das Volk nicht vor eine Entscheidung zwischen Gott und Baal, sondern vor zwei Entscheidungen: die für oder gegen Gott und die für oder gegen Baal.

Wir müssen uns nämlich nur selten zwischen zwei gleich gültigen Alternativen entscheiden, sondern vielmehr zuerst für oder gegen das, was jeweils zuerst da war.

Ein Mann hatte eine Freundin und wollte in Exerzitien klären, ob er nicht stattdessen Priester werden soll. Bald merkte er, dass die anstehende Entscheidung nicht lautete ‚X heiraten oder Priester werden‘, sondern ‚X heiraten oder nicht‘. Die nächste Entscheidung kommt dann.

Ich mache mir das Gebet des Elija zu eigen:

„Erhöre mich, Herr,
erhöre mich!
Lass mich erkennen,
dass Du, Herr,
der wahre Gott bist
und dass Du mein Herz
zur Umkehr wendest.“
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Wir haben es vom Ausgeben 1 Kön 17,7-16

„Wir haben es nicht vom Ausgeben, wir haben es vom Behalten“, mahnt man im Rheinland zur Sparsamkeit. In der Heiligen Schrift wird dieses Prinzip genau umgekehrt.

Während einer Dürrezeit begegnen einander in Sarepta zwei notvolle Leben: der Prophet Elija auf der Flucht vor dem König und eine Witwe mit Kind, die nicht genug zum Leben hat. Die Witwe gibt Elija von ihrer letzten Mahlzeit das von ihm Erbetene und die Verheißung des Propheten erfüllt sich: „So hatte sie mit ihm und ihrem Haus viele Tage zu essen.“

Das ist weder ein Rezept zur Überwindung von Hungersnöten, noch die Aufforderung, uns bis zur Erschöpfung zu verausgaben. Vielmehr steht eine Grundentscheidung an: Was machen wir mit dem Rest unseres Lebens, bevor wir sterben? Wollen wir es für uns behalten oder wollen wir es geben? Und wer oder was ist es wert, das wir unser Leben dafür geben?

Jesus spitzt die Umkehrung der rheinischen Weisheit noch zu: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen […] verliert, wird es retten.“ (Mt 16,25)

Die Witwe gibt ihr Leben für das Wort Gottes in Gestalt des Propheten. Uns soll es um Christi Wort und Wirken, um seine Liebe zu den Menschen gehen. Die Ermahnung, wir sollten auf uns selbst, auf unsere Gesundheit und genügend Abstand achten, wird nur dann nicht zur Egomanie, wenn wir uns auch fragen, wofür sich zu leben, wofür sich gesund zu bleiben und wofür sich Gesundheit und Leben zu riskieren lohnen.

Wo wir auf diese Frage mit unserem Leben antworten, wird unser Leben lebendig und aufregend und reich – und zwar für viele. Wir haben es vom Ausgeben, nicht vom Behalten.
Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Zur Liebe gehören immer drei Joh 3,16–18

„Zur Liebe gehören halt immer zwei“, sagte neulich jemand in einem Gespräch über eine schwierige Ehe. Aber ist es nicht gerade dieses Alleinsein zu zweit, das viele Ehen schwierig macht?

Man stelle sich mal vor, es wären wirklich nur zwei Menschen da, die einander liebten. Wer würde die Freude des einen am anderen teilen? Wer würde beim einen zum Vorschein bringen, was der andere ihm nie entlocken könnte? Wen würden Sie miteinander lieben? An wem hätten sie miteinander Freude? Und wer hätte Freude an diesen beiden?

Die Antwort auf all diese Fragen ist: niemand! Wenn die Zeit der Verliebtheit vorbei ist, ist einer mit seiner Liebe zum anderen ziemlich allein. Deshalb braucht die vollkomme Liebe drei, von denen jeder zuerst liebt und antwortend liebt und mitliebt.

Gott ist Liebe, sagt der 1. Johannesbrief (4,8). Und Gott war auch schon die vollkommene Liebe, bevor die Welt war. Dann aber muss es die Beziehung der vollkommenen Liebe schon in Gott geben. Dann muss er irgendwie Einer in drei Liebenden sein. Die Offenbarung sagt, er ist Gott der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Und diese dreifaltige Liebe macht uns die Freude ihrer selbst.

Deshalb hat „Gott seinen Sohn in die Welt gesandt“, um uns die Liebe Gottes zu offenbaren und damit so „die Welt durch ihn gerettet wird“. Der dreifaltige Gott macht sich zu unserem Dritten, damit unsere Liebe dreifaltig wird: als zuerst Liebender, als antwortend Liebender, als Mitliebender. Und er öffnet unser Herz für jene Dritten, für die wir da sein dürfen – miteinander und mit Ihm.

So wird unsere Liebe vollkommen. Denn zur Liebe gehören immer drei.
Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Ohrenschmeichler 2 Tim 4,1-8

Anfangs hat mich gefreut, wenn jemand sagte, eine Predigt sei „sehr schön“ gewesen. Heute frage ich manchmal nach: „Was war denn das Wichtigste für Sie?“ Nach überwundenem Schreck kommt dann oft so was wie: „Ach das war irgendwie alles sehr schön!“ Dann bin ich es, der erschrickt.

Und zwar über mich selbst: Du hast eine gefällige und gefühlige, wortschöne und harmlose, garantiert angriffsflächenfreie Wohlfühlpredigt gehalten. Und es hat ihnen gefallen. Sehr sogar.

Warum? Weil ich mich offenbar als „Ohrenschmeichler“ betätigt hatte. So nennt Paulus Leute, die, anstatt das Evangelium zu verkünden, zu hofierten Lehrern von „Fabeleien“ nach Geschmack und Lust der Leute werden.

Zu den „Ohrenschmeichlern“ gehören die Kirchenvolkstribune der sozialen Medien, deren Lebensqualität mit der Zahl ihrer Follower oder Klicks steht und fällt. Die Salonkleriker sind dabei, die eine geradezu erotische Affinität zu alter und neuer Macht haben. Und jeder von uns zählt dazu, der mit Worten schon mal gefallen wollte.

Solange wir der Versuchung zum Schmeicheln und zum Geschmeicheltwerden nicht widerstehen, müssen wir uns nicht wundern, wenn kaum jemand mehr mit einer ernsthaften Erschütterung Gottes zu rechnen hat.

Suchen wir nach den verborgenen kernigen Männern und Frauen, die so sind, wie Paulus sich den Timotheus wünscht: „Du aber sei in allem nüchtern,“ schreibt Paulus ihm zum Schluss, „ertrage das Leiden, verrichte dein Werk als Verkünder des Evangeliums, erfülle treu deinen Dienst.“

Wo wir von denen lernen, da wird das Evangelium nicht mehr gefällig sein, sondern eine machtvolle Schule zum Leben mit Gott.
Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Mitgehasst werden Joh 15,14-16a.18-20

Der Tod des Heiligen Bonifatius im Jahre 754 oder 755 muss spektakulär gewesen sein: Der Bischof wird auf einer Reise überfallen und mit dem Schwert erschlagen. Dabei schützt er sich mit der Bibel über seinem Kopf. Die wird vom Schwert zuerst getroffen, bevor der Missionar unter den Schlägen niedergeht.

Der tödliche Hass gilt nicht nur dem Missionar. Er gilt auch dem, der ihn sendet, und dem Wort, das sein Leben prägt. „Wenn die Welt euch hasst,“ sagt Jesus, „dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat.“

Wenn einer mal Christ geworden ist, dann geht es nicht mehr allein darum, dass Christus etwas für ihn tut. Es geht darum, dass er Anteil am Leben des Freundes bekommt. Und zwar in der Freude und im Schmerz. Wir bekommen Anteil an seinem Leben, an seiner Beziehung zum Vater, an seiner Liebe zu den Menschen – und eben auch an seinem Geschick in der Welt.

Nicht jeder Hass auf Christen ist auch Hass auf Christus. Manch einer hasst die Christen, weil sie zu wenig Christen sind, oder die Kirche, weil er in ihr schlimme Erfahrungen gemacht hat. Wir dürfen den Hass um unserer Unglaubwürdigkeit Willen nicht mit dem Hass um Christi Willen verwechseln.

Wir sollen die Ablehnung der Menschen weder fürchten noch suchen. „Viel Feind‘“ ist genauso wenig „viel Ehr“, wie es „viel Freund“ ist. Wundern wir uns nur nicht, wenn mit der Freundschaft Jesu auch mal der Hass von Menschen einhergeht. Und bitten wir darum, mit Christus die Menschen wider den Hass zu lieben.

Am Anfang des Dritten Reiches (1934) haben Christen deshalb gesungen:

Lass uns den Hass, das bittre Leid
fortlieben aus der dunklen Zeit;
lass uns dein Reich erscheinen!

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie