Woran wir kleben Lk 21,5-19

Seit Beginn der Pandemie gehe ich möglichst viele Wege durch die Stadt zu Fuß. Das ist nicht nur gesund, sondern manchmal auch schneller als mit dem Auto. Zum Beispiel letzten Montag am Stachus, weil sich einige Klimaaktivisten auf der Straße festgeklebt haben.

Die Unbedingtheit, mit der sie vor einer menschengemachten Unbewohnbarkeit der Erde warnen, beeindruckt mich. Ihre Methoden finde ich fragwürdig.

Die Sorge um das Ende der sichtbaren Welt findet sich auch in der Bibel. Auch die Warnung, die uns anvertraute Welt nicht zu zerstören. Darin sollten wir uns also mit allen Menschen guten Willens einig sein.

Allerdings sagt die Offenbarung auch, dass das Ende der vergänglichen Welt unausweichlich ist. Aber nicht wir dürfen es herbeiführen, sondern Gott wird es tun.

Doch was Gott herbeiführt, sagt die Schrift, ist nicht bloß Ende, sondern Vollendung, nicht bloß Zerstörung, sondern Verwandlung, nicht bloß Untergang, sondern Aufgang, nicht bloß Abschied, sondern Ankunft.

Jesus ist sehr nüchtern, wenn es um diese Dinge geht. Panikmache ist ihm fremd. Uns offenbar nicht. Deshalb zuerst die Mahnung: „Gebt acht, dass man Euch nicht irreführt.“ Wer Angst hat, wird verführbar. Von Stimmen, die einlullen oder Panik verbreiten. Von Stimmen, die vom Ende nichts wissen wollen oder allzu genau zu wissen meinen, wann und wie das Ende kommt.

Mir hilft die Auslegung der endzeitlichen Texte durch die Theologen der frühen Kirche:

Für Athanasius fängt die Irreführung damit an, dass wir uns „die Gnaden und Lehren“ nehmen lassen, „die über den Menschen hinausgehen“, wie „die Teilhabe am himmlischen Leben, die Gotteskindschaft, die Erkenntnis des Vaters und die Gabe des Wortes und des Heiligen Geistes“. Wo es keine Wirklichkeit über die sichtbare hinaus geben darf, hat die Irreführung schon begonnen.

Die Phänomene des Endes deuten die Väter vom inneren Menschen her: „Erdbeben“ sind nicht bloß tektonische Verschiebungen, sondern Erschütterungen des Menschen. „Hungersnöte“ sind nicht bloß Mangel an Nahrung, sondern an göttlichem Sinn. „Kriege und Unruhen“ sind nicht bloß Auseinandersetzungen zwischen Ländern oder Parteien, sondern innere Kämpfe der Willensbestrebungen im Menschen.

Bei solch einer Lesart geht es nicht um eine Weltflucht nach innen, sondern darum, dass innen und außen zusammengehören:„Zuerst verlieren die Herzen der Menschen ihre Ordnung, danach erst die Kräfte der Natur“, schreibt Gregor der Große.

Es ist zu wenig, dass wir die Welt nicht zerstören. Unser Ziel soll sein, dass wir „das Leben gewinnen“. Dieses Leben, das der Tod nicht töten kann, kommt da zum Vorschein, wo die unendliche Liebe Gottes zu seiner endlichen Welt angenommen, angebetet und mitvollzogen wird – von Menschen, die immer mehr Liebende werden.

Wir dürfen nicht zerstören, was uns anvertraut ist. Aber wir sollten uns auch nicht an das kleben, was vergänglich ist. Strecken wir uns lieber nach dem aus, der uns von jenseits unserer Endlichkeit entgegenkommt.

Fra’ Georg Lengerke