BDZ vom 13. Juli 2025
„Wer ist mein Nächster?“, fragt ein Schriftgelehrter Jesus. „Wer […] ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde?“, fragt Jesus zurück (Lk 10,25-37) Beim Gleichnis vom barmherzigen Samariter identifizieren sich helfende Christen (wie die Malteser) fast immer zuerst mit dem Samariter. Sein Vorbild sagt, dass wir an der Not der Menschen nicht vorüber, sondern helfend zu ihnen gehen sollen. Bei genauerem Hinsehen sagt das Gleichnis allerdings noch...
„Wer ist mein Nächster?“, fragt ein Schriftgelehrter Jesus.
„Wer […] ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde?“, fragt Jesus zurück (Lk 10,25-37)
Beim Gleichnis vom barmherzigen Samariter identifizieren sich helfende Christen (wie die Malteser) fast immer zuerst mit dem Samariter. Sein Vorbild sagt, dass wir an der Not der Menschen nicht vorüber, sondern helfend zu ihnen gehen sollen. Bei genauerem Hinsehen sagt das Gleichnis allerdings noch mehr und anderes. Ein Bild aus dem Rossano-Kodex (6. Jahrhundert) zeigt den Samariter als Christus, der sich über den Menschen beugt, der unter die Räuber gefallen ist. „Wer ist mein Nächster?“ fragt der Schriftgelehrte Jesus. Dieser erzählt ihm das Gleichnis und fragt zurück: „Wer hat sich als Nächster dessen erwiesen, der unter die Räuber gefallen war?“ Der Schriftgelehrte antwortet: „Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat.“ Euer Nächster, sagt Jesus, ist nicht bloß der Ausgeraubte, sondern zuerst der, der ihn rettet. Für Jesus Christus sind wir nicht zuerst Samariter, sondern zuerst die unter die Räuber Gefallenen. Christus ist unser Allernächster. Er geht an unserer Not nicht vorüber. Er versorgt unsere Wunden und bringt uns an den Ort der Heilung.
Erst jetzt sagt Jesus: „Dann geh und handle genauso.“ Wenn wir im Glauben erfahren, dass der Samariter der Welt unsere Wunden versorgt, werden wir anders zu den Verwundeten gehen: nicht nur als Helfer, sondern als Menschen, denen selbst geholfen wurde. Der Glaube und die Tauferfahrung, von Christus aufgenommen zu sein, machen den Christen aus. Wer diese Erfahrung gemacht hat, geht nicht mehr nur im eigenen Namen zu den Menschen. Er geht mit Christus, der ihn aus der Not befreite, sich ihm zugesellt und für immer bei ihm bleibt. Wo Christen den Notleidenden im Glauben an Christus dienen, dort ist er selbst da, dort wendet er selbst sich den Menschen zu. Wir sind gerettete Rettungsassistenten des Weltenretters, der auch an unserer Not nicht vorübergeht.
Und das verändert auch unseren Blick auf den Menschen. Am Ende des Lebens Jesu zeigt er sich nicht mehr nur als Samariter, sondern als der, der selbst unter die Räuber gefallen ist. Schon bevor wir zu den Bedürftigen aufbrechen, hat Christus sich ihnen in seinem Sterben gleichgemacht, sich ihrer angenommen und sich mit ihnen unwiderruflich verbunden.
Damit ist der Andere nicht mehr nur „ein Armer“. Der Mensch in Not ist mein Bruder oder meine Schwester, für die Christus starb, die sein Kostbarstes, seine große Liebe sind. Wo ich sie finde, dort finde ich auch ihn und er findet sie mit mir. Was ich ihnen tue, das habe ich mit ihm und an ihm getan.
Fra‘ Georg Lengerke
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