BDZ vom 20. April 2025
Es gibt Situationen, in denen kommt es darauf an, hinter sich Türen zu schließen. Und es gibt Situationen, in denen kommt es darauf an, hinter sich Türen offen zu lassen. Aber ein Grab gehört verschlossen. Immer. Um der Toten und um der Lebenden willen. Die Schließung eines Grabes ist eines der eindeutigsten Bilder für die unwiderrufliche Vollendung eines Lebens und für die Endgültigkeit des Todes. Umso erschütternder muss es für...
Es gibt Situationen, in denen kommt es darauf an, hinter sich Türen zu schließen. Und es gibt Situationen, in denen kommt es darauf an, hinter sich Türen offen zu lassen. Aber ein Grab gehört verschlossen. Immer. Um der Toten und um der Lebenden willen. Die Schließung eines Grabes ist eines der eindeutigsten Bilder für die unwiderrufliche Vollendung eines Lebens und für die Endgültigkeit des Todes.
Umso erschütternder muss es für die Frauen und Männer gewesen sein, die das Grab Jesu offen sahen und den Leichnam Jesu nicht fanden. Wenn, was todsicher war, nicht mehr sicher ist – dann ist gar nichts mehr sicher.
Nirgends wird erzählt, die Jünger hätten das Grab wieder verschlossen. Dabei wäre das verständlich gewesen: Um das Entsetzliche zu verbergen und den Skandal zu vermeiden. Um den Verdacht des Diebstahls nicht aufkommen oder die Aggression gegen Jesus (und die Seinen) nicht wieder aufflammen zu lassen. Oder später: um die Heiligkeit des Ortes zu schützen, ihn höchstens für wenige Eingeweihte zu reservieren und nicht den neugierigen Massen auszusetzen.
Das Grab Jesu ist offen geblieben. Dreihundert Jahre später wurde an dieser Stelle unter Kaiser Konstantin eine Kirche eingeweiht, wo noch heute die Stelle des offenen Grabes verehrt wird.
Die Versuchung ist groß, das Grab in unserem Denken wieder zu verschließen. Das geschieht überall dort, wo wir uns mit der Geschichte und dem Beispiel Jesu als des ganz guten Menschen begnügen, der unschuldig für seine Überzeugungen oder Werte stirbt. Wo wir nach der Auferstehung Jesu nicht mehr fragen, uns nicht mehr von ihr erzählen lassen, von ihr nicht mehr sprechen. Oder wo wir aus ihr eine Legende, eine Metapher oder einen Mythos machen.
Das Grab Jesu muss offen bleiben. Warum? Weil es der Ausgangspunkt aller unserer Wege mit dem auferstandenen Herrn ist. So wie die Taufe, von der es in der Osternacht heißt, dass wir in ihr mit Jesus begraben werden (Röm 6,3). Die natürliche Perspektive auf den Lebensweg des Menschen ist die, dass er im Grab endet. Die neue Perspektive der Christen auf ihren Lebensweg ist die, dass er im Grab beginnt.
Seit Ostern haben wir nicht nur unser Grab vor Augen, sondern wir haben das Grab Jesu im Rücken. Wir gehen, leben und lieben mit dem, der aus dem Grab und aus dem Tod in das neue Leben auferstanden ist, das er allen Menschen schenken will.
Damit verändert sich auch die Perspektive auf unser natürliches Grab. Es bleibt der Ort, der sagt, dass unser irdische Leben sich vollendet. Todsicher. Aber nach Ostern ist es auch der Ort, der uns erzählt, dass die durchgehaltene Liebe des Vaters uns mit Christus aus dem Tod auferwecken wird.
Österlich leben heißt, das leere Grab im Rücken zu haben, mit Jesus Christus und der unsterblichen Liebe Gottes mitzulieben und das irdische Grab nicht zu fürchten, weil Gottes Liebe uns niemals verloren gibt.
Fra’ Georg Lengerke
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