BDZ vom 19. Oktober 2025
„Jesus sagte seinen Jüngern […], dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.“ (Lk 18,1) Der Philosoph Jürgen Habermaas (*1929) bezeichnete sich 2004 einmal als „religiös unmusikalisch“. Von den Musikalischen erwartet er aber offenbar, dass sie auch musizieren. Jüngst warf er den Kirchen vor, sich von zentralen christlichen Glaubensinhalten auf eine rein innerweltliche Zuversichtlichkeit zurückzuziehen. Und bei der komme es „nicht mehr auf die Glückseligkeit einer alles Innerweltliche transzendierenden...
„Jesus sagte seinen Jüngern […], dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten.“ (Lk 18,1)
Der Philosoph Jürgen Habermaas (*1929) bezeichnete sich 2004 einmal als „religiös unmusikalisch“. Von den Musikalischen erwartet er aber offenbar, dass sie auch musizieren. Jüngst warf er den Kirchen vor, sich von zentralen christlichen Glaubensinhalten auf eine rein innerweltliche Zuversichtlichkeit zurückzuziehen. Und bei der komme es „nicht mehr auf die Glückseligkeit einer alles Innerweltliche transzendierenden Erfüllung“ an. (FAZ, 11.10.2025)
Um diese Erfüllung geht es im Gebet. Jesus sagt den Jüngern, „dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten“ (Lk 18,1). Und Mose wird uns heute, mit ausgebreiteten Armen betend, als der vorgestellt, durch den das Gottesvolk im Kampf mit den Amalekitern siegreich bleibt (Ex 17,11).
Beten heißt empfänglich werden für und antworten auf die Offenbarung Gottes und so „mit Gott ins Einvernehmen zu kommen“ (Guardini). Beten bedeutet, sich zu öffnen für die Wirklichkeit über die Welt der Dinge hinaus. Und christlich Beten bedeutet, Gott in Jesus Christus an unserer Menschlichkeit Anteil zu geben und an seiner Göttlichkeit Anteil zu bekommen – sich von ihm lieben zu lassen, ihm liebend zu antworten und mit ihm die Menschen zu lieben.
Vergangenen Mittwoch hat mich der Gedenktag der heiligen Teresa von Avila an ihre Schule des „Inneren Gebets“ erinnert. Äußeres und inneres Gebet gehören zusammen. Das äußere Gebet geschieht in Worten und Gesten. Das innere Gebet vollzieht sich in Herz, Seele und Geist. Das innere kann im äußeren Beten leiblich ausdrücklich sichtbar werden. Das äußere kann das innere Beten eindrücklich prägen und ihm einen Rahmen geben in Raum und Zeit.
Stark vereinfacht kann man Teresas Weg zum Inneren Beten in drei Schritten beschreiben:
Der erste Schritt besteht darin, dass ich mich sammle und eintrete in die „innere Burg“. Je größer unsere Zerstreuung, die unterschiedlichsten Ansprüche und Erwartungen an uns sind, umso wichtiger (und größer) wird der Schritt der Sammlung und des In-mich-Gehens. Jesus Christus ist „hinabgestiegen in die Unterwelt“. Damit ist auch die eines jeden Menschen gemeint. Beten heißt Mitabsteigen. „Nicht außerhalb von euch, sondern in euch ist Gott zu finden“, sagt Teresa. Und außerhalb von uns finden wir ihn nur in dem Maße, in dem wir uns in uns von ihm haben finden lassen.
Ein zweiter Schritt ist der vertraute Umgang, das „freundschaftliche Gespräch mit Gott“. Das eigentliche „innere Gebet“ geschieht in der liebenden Aufmerksamkeit auf Gott, im Verweilen bei der Person Jesu wie bei einem Freund, in der hörenden Betrachtung seines Wortes, im Vertrautwerden mit seinem Blick und Urteil und im Stillwerden bei ihm.
Ein dritter Schritt schließlich ist die Hingabe des Menschen an Gott und die Vereinigung mit ihm. Nicht im Sinne eines angestrengten Hineingrübelns, sondern im vertrauenden Loslassen und Sich-ergreifen-Lassen von Gott. Hier wird das Gebet immer empfangender, das Herz des Menschen dem Herzen Jesu und der Wille des Menschen dem Willen Gottes immer ähnlicher.
„Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“, fragt Jesus nach seiner Ermahnung zum Gebet. Jürgen Habermas findet ihn in der Kirche offenbar kaum. Das sollte uns zu denken geben. Die sich für religiös unmusikalisch halten, haben vor Gott einen Anspruch darauf, dass die Musikalischen musizieren – um aller Menschen Willen – an der Schwelle zur kommenden Welt.
Fra‘ Georg Lengerke
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