Rette mich, wer kann, 1 Petr 1,3-9 (Sonntag der göttl. Barmherzigkeit)

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Mir hat mal einer das Leben gerettet. Das hat vieles verändert. Noch immer steckt mir der Schreck über meine Zerbrechlichkeit in den Gliedern. Und seither kenne ich unsere Angewiesenheit aufeinander als Angewiesener. Die ist kein Mangel, sondern eine Gabe. Eine der größten. Wir können, sollen und dürfen einander retten. Denn so rettet Gott. Zumindest vorläufig.

Der 1. Petrusbrief sagt uns nach Ostern, dass dies das Ziel unseres Glaubens sei: „eure Rettung“. Nicht nur vorläufig, sondern endgültig. Nicht nur des Leibes, sondern auch der Seele. Nicht nur irdisch, sondern noch auf der Erde schon auf den Himmel hin.

Die geschieht, indem Gott in die Welt kommt, „um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11). Aber wovor oder woraus will ich eigentlich gerettet werden? Und woraus nicht?

Ich bitte,
nicht aus der Welt,
sondern mit der Welt,
nicht vor den Menschen,
sondern für die Menschen
gerettet zu werden.

Ich bitte,
nicht aus dem Leiden der Liebe
gerettet zu werden,
sondern vor der Lieblosigkeit
in mir und um mich,
die mich und meine Nächsten
leiden macht.

Ich bitte,
nicht aus der Wüste gerettet zu werden,
durch die Du mich führst,
sondern aus der Traurigkeit,
die aus dem Zweifel kommt.

Ich bitte,
nicht aus der Freiheit gerettet zu werden,
sondern aus meiner falschen Wahl,
nicht aus der Vergänglichkeit,
sondern vor dem Verderben,
nicht vor dem Tod,
sondern aus dem Tod.

Mich rettet
Dein Kommen und Dein Wort,
Dein Leben mit mir
und Dein Sterben für mich.
Mich rettet Deine Auferstehung,
Dein Geist und Deine Vergebung
in der Gemeinschaft der Deinen.

Rette sich,
wer kann.
Rette mich,
Du kannst.
Ich danke Dir.
Amen.
Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Ostermorgen Furcht und Freude Mt 28,1-10

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Diese Wochen sind für viele Menschen von Furcht bestimmt. Vor dem Virus und der Krankheit, vor Einsamkeit und Armut, vor Freiheitsverlust und dem Polizeistaat, und über allem die Furcht vor dem Tod. 

Viele dieser Ängste sind berechtigt. Es sieht für viele nicht gut aus. Keiner soll an Ostern etwas anderes behaupten.

Auch die Auferstehung ist ja zunächst ein fürchterliches Geschehen. Bei Matthäus zuerst für die Wächter und die Frauen.

Die Wächter sind da, um sich vor den Tod zu stellen. Die Frauen kommen, um sich dem Tod zu stellen.

Die Wächter bewachen die Grenze von Leben und Tod. Die Frauen wollen sich der Endgültigkeit des Todes vergewissern.

Beide Gruppen haben guten Grund zur Furcht: Die Erde bebt, das leere Grab wird geöffnet und ein Engel spricht zu den Frauen.

Doch sind die Folgen bei beiden ganz verschieden. Den Wächtern wird (mit dem Grab im Rücken) die Lebensgewissheit erschüttert. Sie waren „aus Furcht […] wie tot“. Den Frauen wird (mit dem Grab im Blick) die Todesgewissheit erschüttert. Sie „verließen das Grab voll Furcht und großer Freude“.

Das sind keine Alternativen. Es sind zwei Schritte auf einem Weg.

Zuerst muss uns wie den Wächtern die Illusion der Kontrolle über das Leben genommen werden. Vor lauter Furcht vor dem Tod hören manche dann auf lebendig zu leben.

Wer sich dann, wie die Frauen, dem Tod gestellt hat, dessen Todesgewissheit wird erschüttert. Ihre Furcht vor dem neuen Leben mischt sich mit der Freude, das uns nicht der Tod überwältigt, sondern die Liebe vorangeht.

Du gibst uns Anteil
an Deinem Leben
jenseits des Grabes.
Lass nicht zu,
dass die Furcht vor dem Tod
uns Dein Leben nimmt.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Karsamstag Botschaft an unsere Grabwächter Mt 27,62-65

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Vorgestern Abend kam die Polizei. Wir haben die Heilige Messe vom Gründonnerstag mit Fußwaschung gerade gefeiert und sind in der Anbetung der beginnenden Ölbergnacht. Der Livestream läuft noch. Wir sind zu fünft. Es klingelt. Agnes macht auf. Zwei Beamte stehen in der Tür. Offenbar hatten uns Nachbarn denunziert, bei uns seien angeblich 20 Leute zu einer unerlaubten Versammlung. Wir stehen im Flur – ich noch im Messgewand, die Polizisten haben ihre Mienen erstaunlich gut im Griff –, erklären, wer wir sind, was wir hier am Gründonnerstag machen und dass wir hier wohnen. Die Polizisten, sachlich und von dienstlicher Freundlichkeit, schauen durch alle Zimmer, hinter die Türen und auf die Balkone und gehen wieder.

Es gibt nicht viele Wohnungen, von denen man ins Fenster der Kapelle sehen kann. Ich will auch gar nicht wissen, wer das war, ob sie gesehen haben, dass wir die Heilige Messe feiern, ob es böser Wille, Misstrauen oder Panik war, weshalb sie die Polizei gerufen haben.

Ich finde es auch sinnvoll, dass die Polizei die Einhaltung der Regeln zur Eindämmung der Ansteckung überwacht. So wie ich es ehrlichgestanden sinnvoll fand, dass Pilatus eine Wache ans Grab gestellt hat. Das kann den Christen nur recht gewesen sein.

Schlimm wird es, wo ein Nachbar zum Grabwächter des anderen wird. Wo die Angst vor dem Tod zur Angst vor dem Leben wird, da hört das Leben auf. Wo aber Menschen aufhören zu leben, um nur nicht zu sterben, da hat der Tod schon gewonnen.

Es ist Ostern, liebe Nachbarn! Morgen öffnet sich das Grab. Da könnt Ihr machen, was Ihr wollt. Ihr werdet Euch mit uns noch wundern.

Fra’ Georg Lengerke

Karfreitag Corona Jesu – unsere Krankheit Jes 52,13-53,12

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Lange rätselte man über die Darstellung des Gekreuzigten auf dem Isenheimer Altar von Matthias Grünewald (1516). Erst in neuerer Zeit erkannte man, dass die gemalten Wunden nicht Geiselspuren, sondern die Symptome der Mutterkornvergiftung darstellen.

Die daran erkrankten Patienten des Isenheimer Spitals sollten im 16. Jh. im Gekreuzigten den erkennen, von dem Jesaja sagt: „Er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen“. Der Gekreuzigte geht an die Stelle eines jeden leidenden und sterbenden Menschen in der Welt – bis heute.

Wie müsste eine Darstellung des Gekreuzigten aussehen, der die Wundmale der Pandemie trägt? Bei einem unsichtbaren Virus ist das schwierig. Aber es gibt doch ein Zeichen, das mich an die Krankheit erinnert. Der Virus hat seinen Namen von seiner Kranzform. Daher „corona“, was lateinisch „Kranz“ oder „Krone“ heißt.

Jesus wird von den Soldaten eine „corona spinea“, eine Dornenkrone aufgesetzt (Joh 19,5). Der Gefolterte als Witzfigur, als Karikatur eines Königs. Ohne es zu bemerken sagt Pilatus über ihn ein prophetisches Wort: „Ecce homo – Seht der Mensch“. Das ist auch vom Menschen schlechthin gesagt: So steht es um Euch. So geht ihr miteinander und Euch selbst um. So steht es um Eure Souveränität. Feine Könige seid Ihr!

Heute ist es der Virus mit dem Namen Corona, der unserer Souveränität, unserer Selbstsicherheit, unserem Glauben, alles in der Hand zu haben, spottet. Der Dornengekrönte trägt unsere Krankheiten bis vor den Thron dessen, von dem die königliche Würde eines jeden Menschen kommt. Einmal wird der uns die „corona vitae“, die „Krone des Lebens“ verleihen (Offb 2,10).

Fra’ Georg Lengerke

Gründonnerstag Alles in der Hand Joh 13,1-15

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Kurz bevor es so aussieht, als entgleite Jesus alles aus der Hand, heißt es bei Johannes, dass Jesus wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gelegt hat.

Das heißt nicht, dass Jesus einfach alles im Griff gehabt hätte. Sondern, dass es ihm in die Hand gegeben wurde. Weil Jesus sein Leben vom Vater empfängt, kann er auch in Freiheit geben, was er empfangen hat (Joh 10,18). Jesus geht in Freiheit den Weg, den wir in diesen Tagen mit ihm gehen und der ihn letztlich alles kosten wird.

Aber was, wenn wir das Wort auch wörtlich verstehen? Was konkret hält Jesus an jenem Abend in seinen „heiligen und ehrwürdigen Händen“, wie der Erste Römische Messkanon sie nennt? Nun, „Brot und Wein“ möchte man sagen. Stimmt. Aber vorher? Vorher sind es die Füße seiner Jünger. Schwielige, staubige Füße. In denselben Händen. „Ihr seid schon rein durch mein Wort“, hatte Jesus ihnen gesagt (Joh 15,3). Jetzt noch der „letzte Dreck“, der Reinigung und Vergebung nötig macht. Warum? Damit Ihr Anteil bekommt an mir.

Jesus gibt uns Anteil an seinem Leben – dadurch dass sein Wort unser Leben prägt, dadurch, dass sein Abstieg unsere Schuld vergibt, dadurch, dass wir uns hineinnehmen lassen in seinen Leib, den wir in Gestalt des Brotes empfangen und zu dem wir in Gestalt der Kirche der Apostel gehören.

Und dann gibt Jesus schließlich sein Leben aus der Hand und in die Hände der Menschen. In die Hand der Jünger, die ihn fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel. In die Hände der Leute, denen die Anwesenheit der Liebe unerträglich ist. Und in unsere Hände bis heute… Was werden wir damit tun?

Fra’ Georg Lengerke