Woher und wohin Ez 37,21-28

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Gesellschaft und Kirche, heißt es, werden nach dieser Krise nicht mehr sein, wie zuvor. Bei Ezechiel finde ich heute drei Hinweise über das Woher und Wohin des Volkes Gottes:

1. Gott sammelt die Israeliten „aus den Völkern […] in ihr Land“. Die Welt zeigt sich wieder als unsicherer Ort, der kein bleibendes Zuhause ist. Das Mittelalter nannte sie auch „exilium“ und „lacrimarum vale“ (Tränental). Mit Gott gehen wir nach Hause. Nicht in ein Land, sondern in allen Ländern in die Freundschaft mit Christus, in das Dasein für die Menschen und dem Himmel entgegen, dem „Land der Verheißung, des Lichtes und des Friedens“ (I. Kanon).

2. Gott führt sein Volk aus der Spaltung in die Einheit. Die Spaltung seines Volkes beleidigt die Ehre Gottes, statt sie zu bezeugen. Die Zerstreuung zerstört den Geist einer Gemeinschaft wie den Geist eines Menschen. Sie ist falsch verstandene Autonomie, die zur selbstgenügsamen oder verzweifelten Isolation führt. Gott sammelt uns zur Einheit im Füreinander, wo Angewiesensein keine Schande ist, im Hören auf die Zeugen Christi und in der Anbetung Gottes.

3. Schließlich befreit Gott sein Volk aus dem Götzendienst zur Gottesverehrung. Wo weder Menschen noch Dinge, Leidenschaften oder Ansprüche die Stelle Gottes einnehmen, bekommen sie von Gott her wieder ihre Würde und wahre Bedeutung. Weil das Geschöpf nicht mit dem Schöpfer, das Menschenreich nicht mit dem Himmelreich und die Welt nicht mit Gott verwechselt wird.

Sammle uns, Herr,
aus der Fremde nach Hause,
aus der Trennung in die Einheit,
aus der Isolation in die Gemeinschaft,
aus der Fremdherrschaft in Dein Reich,
von uns selbst zum Nächsten,
und mit dem Nächsten zu Dir.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Betört und besiegt Jer 20,10-13

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Wenn sich jemand beim Hören oder Lesen der Heiligen Schrift mit den Propheten identifiziert, geht das meistens schief.

Gewöhnliche Rechthaberei wird dann zusätzlich durch ein Leidenspathos für jede Korrektur immunisiert. Stellen wir uns also lieber an die Seite jener normalen Leute, die sich von den Propheten etwas sagen lassen sollten. Das gibt uns zwar meistens nicht recht und tut ein Bisschen weh. Letztlich aber ist es doch heilsam und befreiend.

In den Versen vor der heutigen Lesung (s.u.) beschreibt Jeremia seine Berufung nicht als beglückende und erfüllende Erfahrung mit Gott. Er wird vielmehr von ihm „betört“, überwunden und gefügig gemacht. Bis an die Grenzen der Freiwilligkeit wird er in Anspruch genommen. Der Versuch der Verdrängung scheitert. Das Wort Gottes brennt in ihm wie Feuer und will gesagt werden. – Auch um den Preis, dass er für jene, die gerade noch seine Freunde waren, zum Witz und zur Plage wird. Sie wollen ihn ausrotten oder ihrerseits betören und gefügig machen. Sein Leben ist umkämpftes Terrain zwischen Gott und den Spöttern.

Ich bin nicht selbstverständlich auf Seiten der Propheten. Aber ich will ihnen aufmerksam und mutig zuhören. Ich weiß, wie leicht sie auch mir zum Witz und zur Plage werden können. Wenn aber wir zuhören, kann es geschehen, dass uns der Prophet zu sich in die Einsamkeit zwischen Gott und den Freunden zieht. Und das ist der Raum, wo Gott uns Neues sagen kann.

Die verordnete Einsamkeit unserer Tage ist anders. Aber vielleicht hilft auch sie uns, genauer hinzuhören und uns von Gott betören und gewinnen zu lassen für sein Wort und Wirken in dieser notvollen Zeit.

Fra’ Georg Lengerke

Abrahams Verheißung sind wir Gen 17,1a.3-9

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Zeitlich gesehen verlieren sich die Spuren der Verheißung an Abraham in der historischen Vorzeit. Aber nehmen wir an, die Erzählung Abrahams liegt ungefähr so viele Jahre vor Christus, wie wir Jahre nach Christus leben.

Gestern beim Beten hatte ich dann diese komische Vorstellung, dass die Zeit wie ein langer Streifen Papier gefaltet würde, mit der Menschwerdung als Knick und Wende. Dann kämen Abraham und wir vermutlich ungefähr nebeneinander zu liegen. (Sachen gibt’s beim Beten…!)

Wenn ich nun diese sehr alte, historisch äußerst fragliche Urgeschichte des Glaubens dennoch ernst nehme, dann redet Gott zu Abraham nicht nur über irgendwelche Nachkommen. Gott erzählt dem Abraham von Euch und von mir – zusammen mit den Milliarden, die je an den Gott Abrahams geglaubt und sich seinem Bund angeschlossen haben. Mit Abrahams Ja beginnt unser Glaube. Und dass wir so viele sind, „wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meer“ (Gen 22,17), sollte uns nicht gering von der Würde auch nur eines Einzelnen denken lassen.

Im Evangelium sagt Jesus heute zum Entsetzen seiner Zuhörer, dass Abraham sich freute, als er seinen Tag sehen sollte (Joh 8,56). Wenn schon Abraham sich freute auf den Kommenden – freuen wir uns eigentlich über den Gekommenen und darüber, dass wir am Tag Christi leben dürfen?

Jetzt macht das mit der gefalteten Geschichte von gestern doch irgendwie Sinn: Ich stelle mir vor, wie Abraham mir entgegen kommt. Er schaut hinter mich auf den Ostermorgen des Tages, der schon begonnen hat. Er sieht voll Freude den Tag Christi, in dem ich schon lebe. Was, wenn er mich nach meiner Freude fragt?

Fra’ Georg Lengerke

Gott und das Autoquartett Dan 3,14-21.49.91-92.95

Die Auseinandersetzung zwischen König Nebukadnezzar und den drei jüdischen Hofbeamten ist zeitlos: Sie geht um die Treue zu dem einen Gott angesichts der Plausibilität und Machtlogik der Götter der Welt und ihrer Vertreter.

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Die Antwort der drei Jünglinge ist nicht die von Jungs beim Autoquartett: Unser Gott ist stärker als Du, er wird uns retten. Sondern: Ob unser Gott, dem wir dienen, uns retten kann oder nicht – wir werden Deinen Göttern nicht dienen und vor Deinem goldenen Bild nicht niederfallen.

Die innerweltliche Rettungsmacht Gottes wird hier in der Schwebe gehalten. Denn Gott rechtfertigt sich nicht durch irdische Macht. Wir machen Gott klein, wenn er nur die Supermacht unter den Mächten und der Trumpf im Autoquartett unseres Lebens ist. Gott spielt nicht in der Liga des Nebukadnezzar.

Wir dürfen und sollen um Gottes Rettung bitten, stellen aber zugleich fest, dass Menschen innerweltlich nicht so gerettet werden, wie erbeten: die Verhungerten und Vergasten, die Märtyrer und am Virus Erkrankten. Selbst seinen eigenen Sohn hat Gott nicht vor dem Tod gerettet – sondern aus dem Tod.

Gott hat mir nicht versprochen, mich vor Corona oder dem Tod zu retten. Sondern er hat mir versprochen, dass er alles verantwortet, was mir begegnet und dass er alles als Mensch Gewordener mit mir trägt und erleidet; dass mir einmal alles zum Guten gereichen wird, auch wenn das das Übel nicht zu etwas Gutem macht; dass er mich aus dem Tod rettet und ich ihm nicht verloren gehe. Das alles glaube ich ihm, deshalb hoffe ich auf ihn und vertraue ihm mehr als den Nebukadnezzars unserer Zeit.

Fra’ Georg Lengerke