17.03.2021
Was, wenn alles Täuschung war? Das fragen sich zum Beispiel lange unbemerkt betrogene Eheleute. Oder Leute, die erfahren, dass der Mann ihrer Mutter nicht ihr Vater ist. Menschen, die sagen, ihnen sei der Boden unter den Füßen weggezogen worden und sie fänden sich im freien Fall, ohne zu wissen, wann, wo und wie sie aufschlagen werden.
Mich hat diese Not mal in der frühen Phase der Klärung meiner Priester- und Ordensberufung eingeholt. Ich war bei Paulus auf die Frage gestoßen, was wäre, wenn die Auferstehung Jesu Betrug und Lüge gewesen wäre. „Dann ist“, schreibt Paulus den Korinthern „euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren.“ Wenn wir über den Tod hinaus nichts von Christus erhoffen können, fährt Paulus fort, dann „sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen“ (1 Kor 15,17-19).
Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann werde ich also umsonst gelebt haben, wie ich gelebt habe, und mein Leben wäre auf einen Trug gebaut gewesen. Alles für Christus Verlassene wäre verloren und alles Vertrauen nichtig gewesen.
Eine ähnliche Not spricht aus der Frage, mit der Johannes der Täufer aus dem Gefängnis einige seiner Jünger zu Jesus schickt: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,2-6; Lk 7,19) Zumal Johannes gar keine Zeit mehr hat, zu warten. Sein Leben hängt am seidenen Faden der Launen eines unberechenbaren Cholerikers (s. nächste Woche). Habe ich dem Falschen den Weg bereitet, meine Stimme geliehen und mein Leben gegeben? War alles umsonst?
Anfang dieser Woche hörte ich eine ähnliche Frage bei einer älteren Verwandten, die eine tief geistliche und vom Glauben geprägte Frau ist. Sie hatte eine Cousine und Freundin in den Tod begleitet, die selbst in großer Demut, Freundlichkeit und Geduld ihren letzten Weg gegangen war. Und nun sagt diese altgediente Freundin Jesu: „Ich war immer überzeugt, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Aber jetzt… Wenn ich mir vorstelle heute zu sterben, dann bin ich ganz ohnmächtig und stumm und mir ist irgendwie kalt zumute.“ Und sie zuckt mit den Schultern, während ihr die Stimme versagt…
Vielleicht hat Johannes den Herrn nur um unseretwillen gefragt. Der hl. Hieronymus vermutet, dass Johannes der Täufer selbst sich seiner Sache ganz sicher gewesen sei. Er habe diese Frage den Jüngern nur um ihrer selbst willen mitgegeben, damit sie sich selbst von der Glaubwürdigkeit und Wahrheit des Wirkens Gottes in Jesus überzeugen.
Die Frage ist also nicht einfach nur ein Zeichen von Kleingläubigkeit. Sie ist erlaubt und mitunter sogar geboten: „Bist Du es wirklich? Oder ist ein anderer der Christus?“ Sie muss gestellt werden, damit sich zeigen kann, wo wir auf falsche „Christusse“ vertraut haben und damit wir uns wieder und wieder vom Wirken Christi in der Offenbarung, im Leben der Kirche und der Zeugen Christi und in unserem eigenen Leben überzeugen – oder uns neu überzeugen lassen. Schon von heute an. Und nicht erst, wenn wir mit dem Rücken an der Wand stehen.
Die Antwort Jesu ist kurz. Und zugleich ist sie lang. Sie ist ein Leben lang. Jesus sagt nicht einfach: „Ja, ich bin es!“ Er erinnert die Jünger des Täufers, zu hören und zu sehen, was dort geschieht, wo Jesus ist, und wovon sie Johannes und allen Menschen erzählen sollen: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.“ Fromme Juden kannten diese Worte: So hatte der Prophet Jesaja verheißen, dass es sein wird, wenn der Gesalbte Gottes kommt.
Der seit Anfang der Welt Ersehnte, der von den Propheten Verheißene ist in Jesus gekommen. Und er ist noch immer im Kommen. Die Mission des Täufers ist erfüllt. Die Warterei hat ein Ende. Jetzt könnt Ihr ihn je und je erwarten. Und ihm aufwarten. Ihm und denen, die er mit Euch lieben will.
Fra‘ Georg Lengerke
BetDenkzettel