Welcher Schein trügt Joh 20,19-31

Liebe Denker und Beter,

in den Bergen des Libanon ist das Internet nicht sehr belastbar. Daher eine Verzögerung. Der nächste BetDenkzettel erscheint spätestens am Sonntag, dem 18. April.

Center Al Fadi, Chabrouh, Lebanon.

Heute hat es geschneit. Der Hügel hinter dem Haus sieht aus wie die geheimnisvolle Ruine einer vergangenen Pracht.

Doch manchmal trügt der Schein. Gestern war da ein stinkender Müllhaufen. Aber wo der Schein nicht trügt, dort scheint die unsichtbare Wahrheit durch und leuchtet ein.

Thomas kennt beides. Als sie Jesus als siegreichen König feierten, trog der Schein. Als sie den Toten vom Kreuz nahmen, trog der Schein nicht.

Viele der behinderten Menschen hier im Haus haben Narben und Wunden. Durch Unfälle, Selbstverletzungen oder Misshandlungen. Einige heben ängstlich den Arm, um sich vor dem befürchteten Schlag zu schützen, wenn ich ihnen über die Wange streiche. Sie wissen nicht, dass der Schein trügt.

Auch das gehört zum Osterwunder: dass einer, den seine Allernächsten belogen, betrogen und im Stich lassen haben, einem anderen glaubt, dass er ihm gut ist.

Beide, Thomas und Jesus, fanden sich betrogen, belogen und im Stich gelassen. Beide sind verwundet: Jesus durch das, was man ihm antat; Thomas durch das ungläubige Empfinden, verlassen worden zu sein.

Doch der Schein trügt. Die Jünger sind nicht verlassen. Weil Jesus den Thomas die Wunden seines Sterbens berühren lässt, lässt Thomas Jesus die Wunde seines Unglaubens berühren.

Gregor der Große schreibt: „Der zweifelnde Jünger [sollte] die Wunden unseres Unglaubens heilen […], indem er die Wunden am Leibe seines Meisters berührte. […] Denn indem er durch die Berührung zum Glauben zurückgeführt wird, wird unser Herz im Glauben gefestigt und wirft allen Zweifel hinter sich.”

Thomas glaubt, denn der Schein der Wunden trügt nicht. Der Tod hat nicht das letzte Wort, denn der Schein seiner Macht trügt.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie