„Lass Dich ansehen!“ sagte der alte Freund beim Wiedersehen, löste die Umarmung und hielt mich an den Schultern auf Armeslänge fest. Er brauchte Abstand, um mich ansehen und mir in die Augen schauen zu können.
Manchmal brauchen wir mehr Abstand, um einander näher und füreinander da sein zu können. Heute taufe ich ein kleines Mädchen. Ich werde ihre Mutter nachher fragen, ob ihr Kind ihr eigentlich im Mutterleib oder im Arm näher war.
Auch darum geht es bei der Himmelfahrt Christi: um ein Weggehen um einer größeren Nähe willen.
Die Jünger stehen an der Grenze zum Raumder Unverfügbarkeit Gottes, den die Apostelgeschichte „Himmel“ nennt. 40 Tage lang hatten sie Umgang mit dem Auferstandenen – noch leiblich aber nicht mehr sterblich.
Jesus muss den einen Ort verlassen, um an allen Orten gegenwärtig zu sein. Er muss zu einer Zeit weggehen, um zu allen Zeiten da zu sein. Er muss sich dem Anblick der Wenigen entziehen, um sich in den Herzen der Vielen zu offenbaren.
Damit verändert sich auch die Lebens- und Blickrichtung der Jünger:
Sie fragen nach der Wiederherstellung weltlicher Macht für das Gottesvolk – und werden beschieden, dass Gottes Reich anders und zu einer Zeit kommt, die keiner kennt.
Sie schauen dem leiblich Entrückten hinterher – und bekommen gesagt, dass sie nach dem Wiederkommenden Ausschau halten sollen.
Und als alles zu Ende zu sein scheint, wird ihnen gesagt, dass sie sich bereit machen sollen für jene Kraft, die sie zu Zeugen macht – ausgestattet mit dem Wort, der Vollmacht und der Liebe Jesu und gesandt bis an die Grenzen der Erde.
Wenn es keine Zeugen mehr gibt, wird es auch bald keine Taufen mehr geben. Heute ist ein guter Tag zum Taufen – und um mich erinnern zu lassen.
Fra’ Georg Lengerke