Empörend tröstlich Joh 6,41-51

Gestern eine Trauung. Ich denke daran, was Liebende einander sein können – und was nicht.

Liebende werden einander sagen: „Ich bin für Dich da.“ Zugleich werden sie bald um ihre Grenzen wissen.

Aber was, wenn mir einer sagte: „Ich halte und nähre Dich durch den Tod hindurch.“ Mehr noch: Was, wenn er sagte, dass er eine solche Nahrung nicht nur gibt, sondern selbst ist.

Genau das ist es, was Jesus den Menschen sagt: Das Manna in der Wüste war ein Vorausbild. Das wahre „Brot vom Himmel“, das „Brot des Lebens“, das allen Hunger stillt, bin ich.

Ich verstehe ihr Murren. Ich verstehe, dass den Jüngern nach Weggehen zumute ist. Vielleicht murren viele Christen heute nur deshalb nicht, weil sie solche Worte nicht mehr ernst nehmen. Und vielleicht gehen auch heute viele gute Leute gerade deshalb, weil sie solche Worte Jesu ernst nehmen und unerträglich finden.

Ich will sie ernst nehmen und dennoch bleiben. Und ich will wenigstens zu verstehen beginnen, was sie mir sagen wollen.

Jesus lehrt mich nicht nur, sondern er nährt mich auch. Er ist nicht nur Lehrer wahrhaft menschlichen Lebens, sondern auch Anteilgeber am göttlichen Leben in der Welt. Er ist nicht nur Vorbild, das ich nachahmen soll, sondern auch Nahrung, die mich auferbauen will. Er will nicht nur geistig für uns da sein, sondern auch leiblich, damit auch wir nicht bloß geistig, sondern auch leiblich für ihn und mit ihm für die Menschen da sind. Und er will für uns nicht nur in der Welt da sein, sondern auch durch den Tod hindurch und bis in jenes Leben, über das der Tod keine Macht mehr hat.

Ja, das Wort vom Brot des Lebens, das Christus ist, ist empörend. Vielleicht ist es in dem Maße empörend, wie wir uns mit dem Leben und dem Tod abgefunden haben. Weil ich mich damit nicht abfinden will, ist Jesu Wort empörend tröstlich.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie