Gott und das viele Leid Mk 8,27-35

Auch die Volontäre hier im Libanon fragen dieser Tage, wie das ist mit Gott und dem Leid. Ich kenne viele falsche, dumme, grausame oder unangemessene Antworten. Und ich selbst weiß keine endgültige Antwort. Ich hoffe sie zu hören, wenn ich vor Gott stehe.

Aber einige vorläufige Antworten gibt es doch:

Es gibt verschuldetes Leiden. Selbst- oder fremdverschuldet. Jedes Laster, jede Sünde verursacht Leid – von der Ungerechtigkeit über die Bosheit bis zur Dummheit; für Einzelne, Gruppen oder Regionen; körperliches oder seelisches Leiden. Wir fragen, wie Gott das zulassen kann. Und Gott fragt zurück: How dare you?

Es gibt unverschuldetes Leiden an und mit der Schöpfung. Ihre Geschichte ist nicht einfach festgelegt wie ein Uhrwerk. Sie ist vielmehr endlich und also vergänglich und (aus unserer Sicht) störanfällig. Das Klima ändert sich, Erdplatten verschieben sich, die einen Zellen lassen andere Zellen sterben. Vor allem sind auch unsere neuronalen Prozesse nicht einfach determiniert, sonst gäbe es keinen Geist und keine Freiheit, keine Liebe und keine Wahrnehmung von Sinn.

Und schließlich gibt es übernommenes Leiden. Wer liebt, kann einen anderen „gut leiden“. Er trägt sein Leiden mit, erträgt ihn, hält bei ihm aus. Gott ist der Liebende schlechthin. Er schaut dem Spiel der Kräfte und dem Schauspiel missbrauchter Freiheit nicht einfach zu. Gott geht ins Leiden. Deshalb „muss der Menschensohn viel leiden“. Nicht weil Gott das so will, sondern weil der Mensch das so wollte und weil die Liebe sich dem Hass nicht entziehen kann, wenn es Erlösung geben soll.

Petrus hat recht. Die Liebe stellt sich dem Geliebten in den Weg, der ins Leid geht. Aber der Liebende darf sich der Liebe nicht in den Weg stellen, die ins Leiden geht. Geh hinter mich, sagt Jesus, geh mit mir, wenn Du sehen und mitwirken willst, wie die Liebe die leidende Welt erlöst.

Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie