Aus Ärger lernen Mk 10,25-45
Es gibt viele Gründe, sich über die Kirche und in ihr zu ärgern. Diese Gründe können unterschiedlich, ja gegensätzlich sein. Was dem einen ein Herzensanliegen ist, ist dem anderen ein Ärgernis. Was dieser als richtig erkannt hat, hält jener für einen fatalen Irrtum.
Auch das ist nicht neu. Im Evangelium bitten zwei Brüder aus dem Kreis der Zwölf Jesus, in seiner Herrlichkeit „einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen“ zu lassen.
Das ärgert die anderen zehn. Warum? Vielleicht, weil die beiden sich vordrängeln und eine Sonderrolle beanspruchen. Oder weil auch die übrigen Apostel glauben, dass die Nähe zu Jesus weltliche Macht bedeute, und fürchten, dann selbst der Macht der beiden unterworfen zu sein. Oder aus Neid, weil auch sie nach Macht über andere streben. Lauter gute Gründe, sich zu ärgern.
Ich kenne diesen Ärger. Aber ich kenne auch die Versuchung der Macht. Manchmal ärgert mich an anderen, was ich in mir bekämpfe. Vielleicht fasst mich deshalb die Reaktion Jesu so an. Er weist nicht die einen vor den anderen zurecht, sondern alle miteinander. Was er sagt, gilt allen gleichermaßen: Die Mächtigen in der Welt missbrauchen ihre Macht. „Bei euch aber soll es nicht so sein!“
Wir sollen die Nähe Jesu suchen. Aber die Nähe Jesu bedeutet nicht weltliche Macht. Und weltliche Macht bedeutet nicht Nähe Jesu. Das gilt übrigens nicht nur in der Kirche, sondern genauso für die Kirche. Wir sollten daher nicht bloß von der „Macht inder Kirche“ sprechen, sondern auch von der „Macht der Kirche“, die sie gesellschaftlich und wirtschaftlich sehr weltlich beansprucht und zu erhalten sucht.
Die Nähe Jesu und der Dienst, zu dem er uns ruft, sind anders. Sie bedeuten, mit ihm den Kelch der Liebe zu trinken, die bereit ist, an den Menschen und für die Menschen zu leiden. Über die freue ich mich. Und sie will ich erlernen.
Komisch, manchmal fängt dieser Lernprozess damit an, dass ich mich über andere ärgere.
Fra‘ Georg Lengerke