Lebensgefährliches Lob Lk 6,17.20-26

Manche Themen ziehen sich durch unser Leben. Mir sagen zum Beispiel geistliche Begleiter und Beichtväter seit dreißig Jahren, dass ich lernen solle, mich über Lob zu freuen. Im Evangelium klingt das heute etwas anders: „Weh euch, wenn euch alle Menschen loben“, sagt Jesus seinen Jüngern in der Feldrede im Lukasevangelium.

Lob ist was Gutes, wenn das Gute gelobt wird. Deshalb soll es uns nicht um das Lob gehen, sondern um das Gute. Gerechtes Lob macht das Gute groß. Deshalb lasse ich mich lieber von Leuten loben, die mir auch helfen, das Schlechte in meinem blinden Fleck zu sehen und zu verwerfen. Ich will mich über gerechtes Lob genauso freuen wie über gerechte Kritik, damit ich das Gute wählen und das Schlechte verwerfen kann.

Sobald es uns aber um das Lob selbst geht, wird es gefährlich. Was tun Menschen nicht alles, um gelobt oder „geliked“ oder gehypt zu werden. Und wie vernichtend kann es dann sein, wenn das Lob auch nur ein wenig nachzulassen droht. Erst am Mittwoch berichtete die FAZ über die Häufung von Suiziden bei Prominenten und Influencern: „Ich glaube, Instagram ist für mich nicht gesund“, hatte Alexander King alias Desduné seinen Fans getwittert – kurz bevor er sich das Leben nahm.

Jesus geht noch einen Schritt weiter. Das Von-allen-gelobt-Werden ist nicht bloß für die Gelobten gefährlich, sondern auch für die Lobenden. Das Lob der Masse, sagt Jesus, gilt den falschen Propheten. Die falschen Propheten sind Schönredner und Verführer, die den Menschen nach dem Mund reden. Sie weissagen Gutes, wo die Katastrophe droht. Sie machen aus Gütern Götter und reden im Namen von Göttern, die keine sind.

Das Evangelium erinnert uns heute an drei Momente christlicher Lebenskunst. Erstens: Loben zu können. Zuerst das Gute, den allein ganz Guten, nämlich Gott, dann (zusammen mit Gott) den Menschen und das Gute in ihm. Zweitens: Lob und Kritik annehmen zu lernen, insofern sie uns helfen, dass das Gute in uns wächst. Und drittens schließlich: Von der Schimpf und Schande nicht wegzulaufen, die jene treffen kann, die zu dem gehören, der allein „der Gute“ ist. Ihnen wird Großes gesagt: Sie werden sich freuen und jauchzen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie