Wem glauben? Joh 20, 19–31

Die vergangene Tage verbringe ich mit einer großen Gruppe von Verwandten und Freunden anlässlich eines Geburtstagsfestes. Viele sprechen mich auf die Kirche an. Mehr als sonst sind verzagt, resigniert oder empört. Die einen über menschliches oder systemisches Versagen, andere entweder über die kirchliche Lehre oder über deren Infragestellung, wieder andere entweder über die Berichterstattung über die Kirche oder über das von ihr Berichtete.

Manchmal kann ich antworten, entgegnen, zustimmen; oft höre ich nur zu. Dreierlei kommt mir dabei in den Sinn.

1. Die Frage, wem wir glauben können, begleitet die Christen seit dem Tod und der Auferstehung Jesu. Die ersten Zeugen des leeren Grabes werden belächelt oder desavouiert. Thomas glaubt den Aposteln nicht. Jesus tadelt auch deren „Unglauben und ihre Verstocktheit, weil sie denen nicht glaubten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten.“ (Mk 16,14) Es ist entscheidend, dass in der Kirche Menschen zu finden sind, denen man ihren Weg mit Christus glauben kann – jenseits moralischer oder politischer Streitfragen.

2. Jemand sagte mir, die Kirche sei eh nur eine menschliche Einrichtung. Aber sie ist mehr als das.
Sie ist auch der dramatische Ort, an dem die Gnade Gottes auf meine Schuld, seine Liebe auf meinen Hass, sein Wohlwollen auf unsere Verärgerung trifft. Sie ist der Ort, an dem Gott sich offenbart und erkennbar wird. Weil überall da, wo Gott erkennbar wird, die Kirche schon anfängt.
Das ist keine Verharmlosung. Gott lässt sich als Mensch all das antun, was wir einander antun. Deshalb kann die Kirche nicht nur Menschenwerk sein. Und deshalb wird es nie gelingen, die Schuld vollkommen aus ihr zu tilgen. Eine Kirche ohne Sünder ist leer.

3. Gestern haben wir die Messe in einer alten Basilika von 554 gefeiert, deren Vorgängerbau aus dem 4. Jahrhundert noch erkennbar ist. In der Apsis prachtvolle Mosaiken von frühen Glaubenszeugen, Frauen und Männern. Und ich muss daran denken, dass wir Heutigen in der Kirche die Minderheit sind. Auch wenn das nicht alle Fragen beantwortet: Wir tun gut daran, mit den Früheren im Gespräch zu bleiben. Ihrem Bekenntnis dürfen wir glauben, auch wenn wir nicht in allem einen Konsens finden. Die Mehrheit der Kirche ist schon bei Gott. Das hilft mir, mich über die Minderheit der heute Herumlaufenden nicht zu sehr zu ärgern, sondern ihnen – zusammen mit Gott und allen Heiligen irgendwie gut zu sein.

Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Hierzulande werden wir weniger. Weltweit werden wir mehr. Aber Zahlen sind nicht wichtig. Die Apostelgeschichte geht weiter. Wir brauchen Antworten. Und ich vertraue darauf, dass sie ergehen werden.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie