Gottes Pädagogik und häusliche Gewalt Hebr 12, 5–7.11–13

Gottes Pädagogik ist wie die eines Vaters bei seinem Sohn, sagt der Hebräerbrief. Das ist für viele Menschen keine so ganz gute Nachricht.

Erstens weil die Erziehungsmethoden im 1 Jh. andere waren als heute. Zweitens weil es auch heute viele Menschen gibt, für die das Wort „Vater“ für Gott (vorsichtig gesagt) nicht unbedingt hilfreich ist. Drittens kommt hinzu, dass für die Pädagogik Gottes in unserer Übersetzung misslicher Weise das Wort „Zucht“ oder „züchtigen“ verwendet wird.

Bei „Zucht“ denken Leute an Pferde oder Kaninchen. Bei Menschen meint das Wort ursprünglich Korrektur und Disziplin, Tugenden, leib-seelische Fitness, Erziehung und Bildung. Der Begriff ist aus der Mode gekommen, weil er mit Härte und körperlicher Züchtigung assoziiert wird.

Bei Vergleichen zwischen Gott und den Menschen gibt es Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten. Und die Unähnlichkeiten, sagt das 4. Laterankonzil 1214, sind immer größer als die Ähnlichkeiten. Also: Unter einer bestimmen Rücksicht ähnelt Gott einem Vater, der sein Kind erzieht. Doch mehr noch ist Gott zugleich ganz anders als jeder menschliche Erziehungsberechtigte.

Bei Bildern von der Liebe ist das übrigens auch so. Kein vernünftiger Mensch möchte wirklich ein „Schatz“ sein. – Kostbar schon. Aber doch nicht vergraben, sorgsam weggeschlossen oder notfalls verkäuflich!

Je älter ich werde, umso häufiger denke ich über die Frage nach, wie Gott mich unter den realen Bedingungen des alltäglichen Lebens „erzieht“, also korrigiert und lehrt, einübt und ausrüstet für die Herausforderungen, die noch kommen werden.

Es gibt zwei extreme Perspektiven, von denen ich überzeugt bin, dass sie nicht Gott gemäß sind.

Gott gleicht nicht einem Vater, der sich die Vergehen des Tages merkt, abends sein Kind dafür verdrischt und sagt, ihm täten die Schläge noch mehr weh als seinem Kind. Die Pädagogik Gottes kennt keine häusliche Gewalt.

Aber Gott gleicht auch nicht einem Vater, dem der Tag des Kindes egal ist: seine Freuden und Erfolge, sein Versagen oder seine Schuld, die Verletzung seiner selbst oder anderer, seine Gefährdungen und ob es gerettet wird.

„Die Vaterliebe Gottes verantwortet alles, was mir begegnet“, sagte Heinrich Spaemann. Auch das, was wir zunächst selbst zu verantworten haben: das Furchtbare, was wir einander aus Dummheit oder Bosheit antun, indem wir unsere Freiheit missbrauchen. Gott selbst hat uns ja die Freiheit zur Liebe geschenkt. Und er selbst lässt sich als Mensch die Konsequenzen unseres so ermöglichten Hasses antun.

Ich glaube an einen göttlichen Vater, der seinen Sohn als Mensch zu uns sendet, wie ich einer bin (nur dass er kein Sünder ist). An einen Gott, der als Mensch zu mir spricht und das, was auf mich zukommt, mit mir annimmt und überwindet – oder aushält und nach Hause trägt. An einen Gott, der am Ende „alles verantwortet, was mir begegnet“. Der möchte, dass alles – auch das Übel, das nie hätte passieren dürfen – durch die Macht seiner Liebe mir schließlich zum Guten gereicht.

In dieser Schule will ich bis zum Ende leben und lieben lernen und mich an Gott und seinen Menschen freuen.

Ich sehe vielleicht nicht so aus: Aber diese Schule hält mich jung.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie