In den vergangenen Tagen haben wir vor den Toren Roms eine neue Regierung des Malteserordens gewählt. Es sollten möglichst die am besten Geeigneten sein. Mit den unterschiedlichsten Meinungen, wer das sei, welche Gaben es braucht und wer welche hat. Und wer gewählt wurde, sagte laut und vernehmlich: „Ich nehme die Wahl an!“
Wie wäre das ausgegangen, wenn wir gewählt hätten, wie Gott gewählt hat? „Das Törichte […], das Schwache […], das Niedrige und das Verachtete in der Welt hat Gott erwählt“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth.
Nun geht es, wenn Gott erwählt, nicht um Wahlämter. Es geht um Berufung. Wer seine Berufung annimmt, der merkt, dass er auch erwählt ist. Erwähltsein bedeutet, dass ich herausgenommen werde aus dem Allgemeinen ins Besondere, aus der Nicht-Unterscheidbarkeit in das Unverwechselbare, aus dem Gemeinen ins Ungemeine.
Und Gott erwählt uns nicht, um uns aus den Anderen herauszuheben, sondern um uns zu den Anderen zu senden. Gott erwählt Menschen nicht vor anderen, sondern für andere…
Aber warum schreibt Paulus, dass Gott ausgerechnet das Törichte, das Schwache und das Niedrige erwählt? Stimmt, was der Philosoph Friedrich Nietzsche den Christen unterstellt hat: „die Bevorzugung alles Leidenden, Schlechtweggekommenen, Degenerierten“, gegen die Nietzsche protestiert und wegen derer er die „Moral des Christentums als Kapitalverbrechen am Leben empfindet“?
Ich denke, es ist wichtig, dass sich Christen der Versuchung bewusst sind, Schwachheit und Krankheit zu idealisieren. Aber es geht bei der Erwählung Gottes nicht darum, dass Torheit schlechthin besser wäre als Weisheit, Schwäche besser als Stärke oder Niedrigkeit besser als Vornehmheit.
Es geht darum, dass etwas nicht stimmt mit dem, was „die Welt“ (oder der weltliche „Mainstream“) als Weisheit, Stärke und Erhabenheit verehrt und als Torheit, Schwäche und Niedrigkeit verachtet.
Die „Weisheit der Welt“ ist für Paulus Torheit, weil sie zwar viel gelernt aber wenig erkannt hat, weil sie das Sichtbare, Messbare und Begreifliche für die ganze Wirklichkeit hält, über die hinaus es nichts Unbegreifliches geben darf.
Die „Stärke der Welt“ ist bestenfalls halbstark, Sie überschätzt sich, meint niemanden zu brauchen und ihre traurige Großartigkeit besteht darin, dass sie sich nicht helfen lässt.
Und die „Erhabenheit der Welt“ ist schließlich jene, die überheblich ist, sich selbst erhebt – über andere und auf deren Kosten – und die über sich nichts und niemanden dulden kann.
Gott erwählt das, was die Welt für töricht hält, in Wirklichkeit aber weise ist; das, was für die Welt schwach, für Gott aber stark ist; das, was in den Augen der Welt niedrig ist, in Wirklichkeit aber echte Größe hat.
Ich stand in der vergangenen Woche nicht zur Wahl. Aber ich habe gewählt. Manche von mir Gewählten haben eine Aufgabe übernommen. Andere nicht. Aber alle haben nach der Wahl gesagt. „Ich nehme die Wahl an.“
Doch wenn ich jetzt nach Hause fahre, dann stehe auch ich wieder zur Wahl. Weil Gott mich erwählt. Immer wieder. Und zwar gerade da, wo ich für ihn in der Torheit klug, in der Schwachheit stark und in der Niedrigkeit groß bin.
Ich sage das natürlich nicht laut und feierlich. Aber leise und dankbar sage ich es doch. Immer wieder: „Ich nehme die Wahl an.“
Fra‘ Georg Lengerke