Vorhut und Nachhut (Darstellung des Herrn)

02.02.2025    

Vorhut und Nachhut (Darstellung des Herrn)

Vor meinen Ordensgelübden sagte man mir, das sei „abenteuerlich“. Stimmt. So geht es vielen: Je sicherer und absehbarer der Alltag, umso größer ist die Sehnsucht nach dem Abenteuer der Herausforderung durch Neues.

Das Ausbrechen aus dem Gewohnten ist nicht neu. Als das Christentum Staatsreligion und weltanschaulicher Mainstream wurde, machten sich Menschen aus den Städten auf den Weg in die Wüste. Vom Rand der bürgerlichen Existenz erinnerten sie die Bürger an die Mitte und den Sinn, die Richtung und das Ziel des Lebens, wie sie mit Christus in die Welt gekommen waren.

Aus diesen Anfängen im späten 3. Jahrhundert hat sich in der Kirche ein eigener Stand verschiedener gemeinschaftlicher (und seltener auch eremitischer) Lebensformen entwickelt. In diesen Ordensgemeinschaften legen die Mitglieder die Gelübde der „evangelischen Räte“ von Armut, eheloser Keuschheit und Gehorsam ab. Ihren Stand nennt die Kirche „geweihtes Leben – vita consecrata“ und erinnert an ihn am heutigen Fest der Darstellung des Herrn (früher Mariae Lichtmess) am 2. Februar.

Im „geweihten Leben“ stellen sich einige durch Gelübde zur Verfügung, um in einer alternativen Lebensform dem Glauben, der Liebe und der Hoffnung aller zu dienen. Über die für alle geltenden Gebote hinaus folgen sie den Räten, die Jesus einigen für den Dienst an den anderen gibt.

Allen wird geboten, ihre Güter für andere zu besitzen, und mit ihrer Hilfe auch selbst eine Gabe für die anderen zu sein. – Den Ordensleuten wird geraten, ihre Güter ganz wegzugeben, um daran zu erinnern, dass jeder selbst Gottes Gabe für die Anderen und mit den Anderen Gabe für Gott ist.

Allen ist geboten, mit reiner Absicht den Nächsten um seiner selbst willen (also „keusch“) zu lieben. – Den Ordensleuten wird geraten, aus Liebe auf die Ehe zu verzichten, um mit Jesus dahin zu gehen, wohin wir nur alleine kommen können und sich zusammen mit den dort Gefundenen nach dem Himmel auszustrecken.

Allen ist geboten, dass sie in ihrem Gewissen Gottes Willen gehorsam sind. – Den Ordensleuten wird geraten, auf ihren Eigenwillen zugunsten des Willens Gottes zu verzichten, wie er sich durch die Sendung einer Gemeinschaft, dem Urteil der Oberen und der Prüfung im Gewissen zeigt. Und dann dahin zu gehen, wo die Liebe gerade sie haben will.

Die Ordensleute sind in etwa das, was bei einem Treck durch unbekanntes Gebiet oder bei einer militärischen Einheit die Vorhut und die Nachhut sind.

Für die Vorhut braucht es Leute mit Weitsicht, klarem Blick und leichtem Gepäck. Wanderer mit Orientierungssinn, einer Ahnung vom Ziel und einem guten Draht zum Kommando. Menschen, die Abschied genommen und nichts zu verlieren haben; die sich was trauen und keine Angst haben vor Feind und Freund – oder mit ihrer Angst umzugehen wissen. Zur Vorhut gehören Männer und Frauen, die die Dinge zu nehmen wissen, wie sie kommen, und glauben, dass Gott alles verantwortet, was uns begegnet.

Die Nachhut braucht Menschen, die die Abgehängten aufsammeln und sich nicht darum scheren, selbst für abgehängt gehalten zu werden. Die Nachhut nimmt sich derer an, die von den Fortschrittlichen vergessen, von Schuld erdrückt und von verbotener Reue gequält werden. Die Nachhut wehrt die Dämonen der Vergangenheit ab und hütet den Schatz des in der Vergangenheit Ererbten. Die Leute der Nachhut schauen zurück in Dankbarkeit und hüten sich vor Nostalgie. Sie halten der Gemeinschaft den Rücken frei.

In der Kirche ist die Vorhut mitunter zugleich die Nachhut und andersherum. Dort finden die Ordensleute auch andere Abenteurer Gottes aller Stände. Mit denen halten sie die Stille und die Einsamkeit aus, das Anderssein und das Verkanntwerden. Mit ihnen erinnern sie daran, dass das Leben an sich schon ein Abenteuer ist, sobald wir aufhören, uns einlullen zu lassen, und uns dem Leben, der Liebe und dem Tod stellen.

Gott wirbt um Abenteurer der Liebe Gottes. Denn wohin kommen wir, wenn uns die fehlen: für die Vorhut, für die Nachhut und für das Zeugnis der Andersheit Gottes?

Fra’ Georg Lengerke

BetDenkzettel 
Georg Lengerke

Der BetDenkZettel ist eine Reihe kurzer Bet- und Denkimpluse zu einem Wort aus den Schriftlesungen der Liturgie von Fra Georg Lengerke.

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