18.04.2025
Meister des Rabula Evangeliums (Ausschnitt)
Am Mittwoch der Karwoche betrachtet die italienische Franziskaner-Terziarin und Mystikerin Angela von Foligno (1248-1309) das Leiden Christi. Sie versucht, sich in die Passion hineinzuversetzen, als sie eine innere Stimme vernimmt, die sagt: „Ich habe dich nicht zum Scherz geliebt.“
„Dieses Wort durchbohrte mich mit tödlichem Schmerz“, schreibt Angela. Und sie beginnt die Liebe Christi in ihrer ganzen Tragweite zu erkennen.
Sie hört zwei weitere Worte: „Ich habe dir nicht zum Schein gedient.“ Und: „Ich habe dich nicht nur aus der Ferne gefühlt.“
„O Meister“, gesteht sie, „niemals habe ich dich [anders] geliebt als nur zum Scherz und in der Lüge, und nie wollte ich mich dir in Wahrheit nahen, um jene Schmerzen zu fühlen, die du für mich ertragen und gefühlt hast, und nie habe ich dir in Wahrheit gedient, sondern nur zum Schein.“
Eine große heiligmäßige Freundin Christi gesteht, dass sie sich dem Leiden Christi nie wirklich gestellt hat. Wie kann das sein?
Ich bin in den vergangenen Tagen oft auf ein Wort gestoßen, das Jesus im Johannesevangelium zum Ende hin mehrmals in verschiedenen Kontexten sagt: „Wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht gelangen.“
Er sagt es den Gerichtsdienern, die ihn festnehmen sollen (Joh 7,34), den Pharisäern, denen er im Streit ihre Sünde und seine göttliche Vollmacht vorhält (Joh 8,21) und den Jüngern nach der Fußwaschung und dem Abendmahl (Joh 13,33). Schließlich sagt er es dem Petrus, der ihn fragt, wohin er geht: „Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen.“ (Joh 13,36)
Was für eine Fremdheit und Ferne tut sich da auf! Für die Häscher die eines Flüchtigen, für die Pharisäer die eines Gotteslästerers, für die Jünger die des Herrn und göttlichen Freundes, den sie nicht verstehen, der sie überfordert und dessen Abschied bevorsteht.
Aber was, wenn es bei diesem Wort gar nicht darum geht, dass Jesus von den Menschen weg geht, wohin sie nicht gelangen können? Was, wenn es darum geht, dass Jesus zu den Menschen hin geht, wohin sie nicht gelangen können: in ihr innerstes, verdrängtes und verschämtes und tödlich versehrtes Leben hinein?
„Ich habe dich nicht zum Scherz geliebt“, sondern mit dem Ernst jener Liebe, die alles zu geben bereit ist. „Ich habe dir nicht zum Schein gedient“, sondern wirklicher als alles, was Du je erfahren und für wahr gehalten hast. „Ich habe dich nicht nur aus der Ferne gefühlt“, sondern an deiner Stelle (als du nicht bei dir warst) und bin dir näher als du dir selbst bist.
„Du wirst mir aber später folgen“, sagt Jesus dem Petrus. Wann wird das sein, unser „später“?
Fra’ Georg Lengerke
BetDenkzettel