14.09.2025 Johannes 3,13-17

Das Kreuz von Deir Salib über Beirut
„Gott hat seinen Sohn […] in die Welt gesandt, […] damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (vgl. Joh 3,17)
Das Kreuz über dem Kloster und der Klinik ist von weitem zu sehen. „Deir Salib“, „Kloster vom Kreuz“ heißt der Ort auf einem Hügel nördlich von Beirut. Die verschiedenen Assoziationen, die Menschen zum Kreuz haben, haben sie im Libanon auch zu der psychiatrischen Klinik darunter: Für die einen ist es ein Zeichen des Grauens, für die anderen ein Zeichen der Rettung.
Ein Zeichen des Grauens körperlichen und seelischen Leids – des Gekreuzigten und der Verdunkelten und Schmerzgeplagten, der Einsamen und Vergessenen. Und ein Zeichen der Rettung, an dem Gott als der Gekreuzigte das grauenhafte Leid zu seinem macht und Menschen wie die Ordensschwestern findet, die mit ihm den Leidenden dienen, das Heilbare heilen und das Unheilbare lindern und bis ins Vaterhaus Gottes zu tragen helfen.
Mit einer Gruppe von Bewohnern aus Deir Salib haben wir Malteser bis letzten Sonntag oben in den Bergen Ferien gemacht. Nach der Rückkehr feiern wir am Grab des Gründers der Schwestern vom Kreuz die Heilige Messe. „Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein“, sagt Jesus im Evangelium (Lk 14,27). „Sein Kreuz“, sagt er, nicht „mein Kreuz“. Das Erste ist die Annahme des eigenen Lebens, wie es ist: Nimm dein Kreuz! Stell dich deinem Schmerz und deiner Schuld, deinen Verletzungen und deiner Krankheit und trage sie. Nicht lauter Kreuze. Nicht die Kreuze der anderen. Sondern deines. Die Begegnung mit dem Gekreuzigten ist das Ende unserer Verdrängungen und unserer Weltflucht.
Tragen wohin? Hinter mir her, sagt Jesus. Das ist das Zweite: Wer sein stinknormales, mühsames und beschwerliches Leben mit Freud und Leid hinter Jesus herträgt und mit ihm verbunden weitergeht, der wird entdecken, dass Gott in Christus unser Kreuz zu seinem gemacht hat, um es mit uns und über uns hinaus zu tragen. „Er hat unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen“, lesen die ersten Christen beim Propheten Jesaja und verstehen, dass er von Jesus Christus spricht (Jes 53,4; Mt 8,17).
Und wo wir nicht bloß hinter Jesus herlaufen, sondern versehrt, wie wir sind, verbunden mit ihm unsere Nächsten lieben, da geschieht das Dritte: Da beginnen auch wir sein Kreuz zu tragen: das Kreuz „um seines Namens willen“, das Kreuz seines Mitleidens mit unseren Brüdern und Schwestern, das Kreuz der verratenen Liebe, das Kreuz der Verfolgung, das Kreuz der Gemeinschaft mit den Armen und Kranken, mit den Kleinen und unter die Räder Gekommenen.
Heute feiert die Kirche das Fest der Kreuzerhöhung. Es erinnert an die Wiederauffindung des Kreuzes Christi durch Kaiserin Helena im 4. Jahrhundert. Zugleich soll es zum Fest unserer Wiederentdeckung des Kreuzes Christi werden.
Christus ist nicht Sieger, weil Leid und Tod ihm nichts anhaben konnten. Im Gegenteil: Kein Leid wird ohne ihn erlitten und kein Tod ohne ihn gestorben. Er ist Sieger, weil er unbesiegt geliebt und gelitten hat und unbesiegt gestorben ist, um uns aus dem Tod ins Leben zu tragen – zusammen mit den Unbesiegten von Deir Salib.
Fra‘ Georg Lengerke
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