Ausnahmsweise…

… ging es gestern mal wieder nicht aus mit dem Schreiben. Daher gibt es heute keinen Betdenkzettel.

Zum Evangelium Mt 8, 1-4 vielleicht nur den Tipp: Beim Beten den Satz nicht vergessen: “Wenn Du willst…” Und danach fragen, was Er wohl für mich und von mir wollen mag.

Fra Georg Lengerke.

Im Exil 2 Kön 24,8-17

In meinem Flur hängt das Bild von Eugen Kirchner „Der König im Exil“:

Unter einem Himmel mit Schäfchenwolken steht auf einer Wiese ein kleines Häuschen mit Schuppen und Plumpsklo. Vor dem Haus sitzt der König in Brokatmantel, Kniebundhose und Schnallenschuhen mit weißer Perücke und Krönchen auf einem Stuhl. Rechts dahinter rührt auf einem Ofen mit erhobener Nase die behandschuhte Königin eine Suppe um. Von hinter dem König nach links zieht sich eine Wäscheleine, an die ein livrierter Diener Unterwäsche mit Krönchen zum Trocknen aufhängt. Vorne im Bild führt der missgelaunt dreinschauende Dauphin mit Federhütchen einen Mops Gassi. Und statt regierenderweise am Rad der Geschichte zu drehen, dreht der König stattdessen die Kurbel einer Kaffeemühle zwischen seinen Knien.

An dieses Bild musste ich bei der Schilderung der Verschleppung des jungen Königs Jojachin und der Vornehmen Jerusalems nach Babylon denken.

Das Exil ist in der Schrift ein Bild für das von Gott entfremdete Leben. Und in der Geschichte des Volkes Israel ist Babylon der traumatische Ort solchen Exils. In schweren Zeiten war „Exil“ auch das prägende Lebensgefühl der Christen – nach dem Verlust des Paradieses als ungetrübte Gemeinschaft mit Gott.

Auch dieses Bild hat zwei Seiten:

Es kann entweder Ausdruck einer Lebensfeindlichkeit sein, die die Welt nicht ernst nimmt, und das Leben und das Glück immer jeweils woanders sucht.

Oder es beschreibt den aus dem Paradies Gefallenen, der mit Gott die gefallene Welt liebhat und auf seiner Seele (wie der König auf der Leibwäsche) ein unauslöschliches Krönchen eingeprägt hat, dass ihn an seine göttliche Herkunft und Heimat erinnert.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Väterherzen kinderwärts Lk 1,5–17

Am Vorabend des Geburtstags Johannes‘ des Täufers wird die Vision seines Vaters Zacharias gelesen. In der sagt der Engel über Johannes: „Er wird ihm [dem Herrn] mit dem Geist und mit der Kraft des Elija vorangehen, um die Herzen der Väter den Kindern zuzuwenden.“

Die Umkehrpredigt des Täufers handelt nicht allein von der Herzensumkehr zu Gott, zu den Heiligen, zu unseren Nächsten oder zu den Armen. Um die geht es natürlich auch. Der Engel spricht vor allem von der Bekehrung der Herzen der Elterngeneration zu den Kindern.

Die zweite Hälfte des Zitats aus dem Propheten Maleachi (die von der Zuwendung der Söhne zu den Vätern spricht, Mal 3,24) hat Lukas weggelassen. Vielleicht einfach deshalb, weil die Bekehrung der Väterherzen kinderwärts für die Erneuerung der Kirche unterschätzt wird.

Für kommende Generationen macht die Weisheit der Alten nämlich erst dann Sinn, wenn ihnen zuvor das Zeugnis für das zugewandte Vaterherz Gottes gegeben wird. Ein Herz, das sich interessiert, das die Sehnsucht der Kinder kennt, das auf ihre Fragen zu antworten weiß oder wenigstens die eigene Ratlosigkeit eingesteht und schließlich auch bereit ist, ihr Desinteresse zu erleiden gegenüber allem, was über das Entertainment dieses Tages hinausgeht.

Heute vor 20 Jahren wurde ich zum Priester geweiht. Mir kommt es wie neulich vor. Doch meine Generation sollte nicht mehr darauf warten, dass das Herz der Väter sich zu uns bekehrt. Es ist Zeit, dass mein Vaterherz sich denen nach mir zuwendet, die nach Gott fragen, nach Hingabe, nach einer Freude, die was kosten darf, nach einer Liebe, für die sich zu leben und zu sterben lohnt.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Die Ambivalenz der Macht 2 Kön 19,9b-11.14-21.31-35a.36

Der assyrische König Sanherib belagert Jerusalem. Dabei spottet die Polemik der Macht über das scheinbar vergebliche Vertrauen des Königs Hiskija in seinen Gott, der nur ein weiterer unter den bereits beseitigten Göttern sei. Später wird die Kirche selbst Trägerin weltlicher Macht sein. Und bis heute ist sie versucht, sich der Logik dieser Macht zu beugen.

Heute erleben wir, wie der Kirche nach 1700 Jahren sowohl ihre Teilhabe an weltlicher Macht als auch die entsprechenden Mechanismen in ihr genommen werden:

Beim Versuch, zugleich dem Evangelium und irdischer Macht und Mehrheit treu zu sein, bleiben vom Evangelium nur noch „Werte“ insofern sie mit den Wertungen der Mehrheit konform sind.

Auf der anderen Seite hat der Versuch, geistliche Macht mit irdischen Machtmitteln durchzusetzen, die Kirche nicht weniger korrumpiert und verweltlicht.

Aber die Kirche ist wiederum auch nicht nur eine spirituelle Größe. Sie ist „Volk“ und „Leib“, „Salz“ und „Licht“. Sie soll dem Gemeinwesen dienen, ohne sich mit der Logik von Macht und Mehrheit gemein zu machen. Sie hat die Errungenschaften der freiheitlichen Demokratie zu schützen, ohne sich für ein hinkendes System vereinnahmen oder mit einer staatlich organisierten Finanzierung erpressen zu lassen.

Jerusalem bleibt zunächst unversehrt. Doch später wird ihr alle weltliche Macht genommen. Übrig bleibt der scheinbar machtlose „Rest“ im Exil, mit dem Gott die Geschichte seines Volkes und seiner Botschaft in der Welt fortsetzt.

Zeige mir, Herr,
die verspotteten Treuen
in der Welt,
und öffne mein Herz
für ihr Zeugnis,
damit ich mit ihnen
der Macht
Deiner wehrlosen Liebe
diene.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Fürchtet Euch! Mt 10,26-33

„Fürchtet Euch!“ Das ist für viele die Grundbotschaft während der Pandemie.

Es gibt zwei Arten von Furcht. Es gibt die schiere Angst. Die bezeichnet das Engwerden oder Kleinwerden vor einer drohenden Gefahr. Und es gibt die Erschütterbarkeit von einer Macht, die mein Leben umstürzend und mitunter schmerzlich verändern kann – zum Guten oder zum Bösen.

Von dieser letzten Furcht – von Menschenfurcht und Gottesfurcht – spricht Jesus heute.

Die Menschenfurcht fragt danach, wer wir für die Menschen sind, wie sie von uns denken und reden und wie sie uns behandeln.

Die Gottesfurcht fragt danach, wer wir für Gott sind und sein sollen. Sie weiß um den Schrecken und die Erleichterung, wenn einmal alles zum Vorschein kommt. Und sie ahnt Gottes Macht, die Burg unserer Selbstgenügsamkeit zu schleifen.

Die Menschen, sagt Jesus, können nur Euren Leib töten. Gott ist es, der das letzte Wort über Euer ganzes Leben, über Seele und Leib, sprechen wird.

Am Ende, sagt Jesus, wird alles offenbar und kommt alles zum Vorschein. Diese Offenbarung nehmen die Christen mit ihrem Bekenntnis schon vorweg. Sie bekennen vor Gott und den Menschen beides: wer und wie sie selbst sind – und wer und wie Gott ist.

Das ist mit der „Verleugnung“ Christi gemeint: Wo wir uns zu Christus bekennen, da machen wir uns auch ihm bekannt. Wo wir uns nicht zu ihm bekennen, da werden wir den Sohn einmal zum Vater sagen hören: Er hat sich mir nicht gezeigt und nicht bekannt gemacht.

Angst ist unvereinbar mit der Liebe (1 Joh 4,18). Aber Erschütterbarkeit gehört zur Liebe dazu. Denn was wäre von einer Liebe zu halten, die uns nichts anhaben und unser Leben nicht verwandeln kann?

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie