Die gute Nachricht Mk 16,15-20

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Eigentlich ist bei der heutigen Lesung das Markusevangelium schon vorbei. Bei den ältesten Textzeugen fehlt sie. Am ursprünglichen Schluss – vor der heutigen Lesung – wäre die Botschaft fast an ein Ende gekommen. Die Zeugen des leeren Grabes „flohen, denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon, denn sie fürchteten sich.“ (Mk 16,8)

Markus, dessen Fest die Kirche heute feiert, verfasst das vermutlich älteste der Evangelien im Stil einer antiken Herrscherbiographie. Es ist jedoch die Geschichte eines unbekannten jungen Mannes aus einer Unruheprovinz, der am Ende als Aufrührer gekreuzigt wird. Als erster nennt Markus diese Geschichte „Evangelium“. „Eu-angelia“, „gute Nachrichten“, waren in dieser Zeit in der Regel Botschaften über weltpolitisch wichtige Ereignisse. So nennt Flavius Josephus z.B. die Nachrichten von der Ernennung Vespasians zum Kaiser „Evangelien“.

Vielleicht ahnen wir, was für ein Anspruch mit der Einführung des Begriffs „Evangelium“ für das Leben und die Botschaft Jesu einhergeht. Sie ist die „gute Nachricht“ schlechthin. Sie ist nicht harmlos. Sie erschrickt ihre ersten Zeugen und lässt sie verstummen. Doch sucht und findet und befähigt Gottes Geist jene, die sein Evangelium weitersagen.

Die gute Nachricht
ist Deine Geschichte mit uns.

Die gute Nachricht ist,
dass sie weitererzählt wird
von Menschen,
deren Gemüter Du bewegst,
deren Schuld Du vergibst,
deren Herzen Du erfüllst,
deren Denken Du inspirierst,
deren Blick Du erhellst
deren Verstehen Du erleuchtest,
und deren Taten auch die Deinen sind.

Die gute Nachricht ist,
dass Du uns meinst
und alle, die Du mit uns lieben willst.
Amen.
Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Was sich von allein erledigt Apg 5,34-42

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In seinem Buch „Dinge geregelt kriegen“ (2008) schreibt Sascha Lobo, dass Prokrastination (Aufschieben) in vielen Fällen nicht das Problem, sondern die Lösung sei. Die meisten Dinge erledigten sich von ganz allein.

So ähnlich klingt die Intervention des Gamaliël im Hohen Rat, dem Wirken der Apostel einstweilen Gottes Lauf zu lassen: „Wenn dieses Vorhaben oder dieses Werk von Menschen stammt, wird es zerstört werden; stammt es aber von Gott, so könnt ihr sie [diese Männer] nicht vernichten.“

Das heißt nicht, dass Abwarten in jedem Fall das Gebot der Stunde sei: Gott sucht und wirbt um Mitwirkende, die seine Initiative vernehmen und annehmen, kraftvoll wollen und umsetzen. So beginnt Gott seine Sachen in der Kirche und der Welt. Mancher hat schon Lebensentscheidungen aufgeschoben, bis sie nicht mehr getroffen werden konnten.

Und es gehört zu unserer Freiheit, dass wir die Initiativen Gottes verwerfen können. Bis dahin, dass Menschen den Mensch gewordenen Gott zu Tode foltern. Auch daraus kann Gott noch Großes entstehen lassen. Aber das Wunder Gottes heiligt nicht unsere Verweigerung, sondern holt sie ans Licht.

Was in der Kirche nicht von Gott stammt, sagt Gamaliël, wird zerstört werden. Selbst wenn es reich, mächtig und allgemein anerkannt ist. Je fester wir uns daran halten, umso länger und schmerzhafter werden die Sterbeprozesse sein.

Derweil ist mir der Rat des Gamaliël dort eine Mahnung, wo ich zu schnell meine Ordnung in die Kirche um mich herum bringen will.

Und er ist mir dort ein Trost, wo ich im Kleinen versuche, der geglaubten Initiative Gottes treu zu sein, auch wenn es aussichtslos erscheint.
Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Gehorsam und Leidensdruck Apg 5,17-26

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Die Apostelgeschichte erinnert uns an das differenzierte Verhältnis zwischen der Kirche und dem Staat, wie es sich in der Urkirche herausgebildet hat.

Einerseits betet sie für den Kaiser, um das Wohlergehen des Reiches und seiner Bürger und fordert den schuldigen Gehorsam gegenüber der Obrigkeit. Andererseits ist sie nicht bereit, sich irgendeiner irdischen Macht absolut zu unterwerfen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“

Bis heute sieht die Kirche die Christen in der „Gewissenspflicht, die Vorschriften der staatlichen Autoritäten nicht zu befolgen, wenn diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen Ordnung, den Grundrechten des Menschen oder den Weisungen des Evangeliums widersprechen.“ (KKK1 2242)

Ich habe nicht den Eindruck, dass wir schon so weit sind. Aber Wachsamkeit ist auf beiden Seiten angesagt. Der Staat fordert nun mit Recht von der Kirche Schutzkonzepte, wie unter Einhaltung hygienischer Standards wieder Gottesdienst gefeiert werden kann.

Aber wie groß ist eigentlich der Leidensdruck, daran gehindert zu sein? Eine Tochter aus einer Gastwirtsfamilie sagte mir vorgestern: „Wir leben von der persönlichen Begegnung, von Freundschaften, von Festen und vom gemeinsamen Essen. Wenn all das länger nicht erlaubt ist, können wir nicht überleben.“

Genau das müsste der Leidensdruck der Kirche sein. Wo der fehlt, stimmt bei uns was nicht. Wenn wir ihn hätten, kämen wir dem Gehorsamskonflikt vielleicht schon etwas näher. Sicherlich aber würden die Verhandlungen um die Gottesdiensterlaubnis sehr viel vernehmbarer geführt.
Fra‘ Georg Lengerke

1 KKK = Katechismus der Katholischen Kirche

Schott Tagesliturgie

Geliebte kranke Welt, Joh 3,16-21

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Die Welt ist ein zwielichtiger Ort. Hell in ihrer Schönheit und ihrer Wunderbarkeit. Dunkel unter Krankheit und Leid und unserem Bösen in ihr.

Im Johannesevangelium bezeichnet „Welt“ beides:
Zum einen den Ort der Abgewandtheit von Gott, an dem „die Menschen die Finsternis lieber haben als das Licht“, an dem der Mensch sich selbst und seinen Nächsten, seine Berufung und Begabung, Vergangenheit und Zukunft allein nach inner-„weltlichen“ Kriterien und Maßstäben beurteilt und an dem das Böse als „Herrscher dieser Welt“ mächtig ist.

Zum anderen ist sie Gottes Schöpfung. Versehrt, aber nie aufgegeben. Im Gegenteil: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen Sohn hingab“, um in ihr vom Vater her „Licht der Welt“ zu sein und sein Leben für das „Leben der Welt“ zu geben, damit diese gerettet wird.

Die Christen kennen die Versuchung, über das Dunkel in der Welt, ihr „Sein im Licht“ zu vergessen. Ähnlich wie heute viele in Wirklichkeit gar nicht die Welt lieben, sondern die Vorstellung einer vom Menschen „reparierten“ Welt.

Die Welt ist krank. Aber sie ist geliebt. Und zwar nicht erst, wenn sie wieder gesund ist. Davon erzählt das Kommen Gottes in die Welt als Mensch. Der geliebte Sohn wird so krank wie die Welt – damit die kranke Welt erkennt, dass sie geliebt ist wie der Sohn.

In Jesus liebt Gott diese Welt (und jeden von uns in ihr) um den Preis seines eigenen Lebens. Mit Jesus können wir beginnen, die Welt und die Menschen in ihrem verloren gegangenen Licht zu sehen und zu lieben.

Und es ist die unsterbliche Liebe Gottes und mit Gott, die die geliebte kranke Welt genesen lässt.
Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Was wir „alles gemeinsam“ haben Apg 4,32-37 (Dienstag 2. Woche n. Ostern)

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Eine Freundin von mir nennt ihren Wagen „das FRAuto“. Das ist keine ungeordnete Anhänglichkeit an mich. Sie sagt, ich solle ihr Auto nutzen, als wäre es auch das Meine. So gibt es einige Menschen, die ihr Haus, ihren Esstisch, ihre Begabungen und Einsichten auch ‚für mich‘ haben – und für das, was mir miteinander tun wollen.

Das gilt auch andersherum. Was ich habe, will ich ‚für andere‘ haben: Zeit und Kraft, Ohr und Rat und das, was ich von Gott und der Welt empfangen und verstanden zu haben meine.

In der Kirche des Anfangs hatten die Gläubigen „alles gemeinsam“. Das ist nicht bloß ein unrealistisches Ideal von Gütergemeinschaft. Es ist konstitutiv für die Kirche, dass einer das, was er hat, für andere hat. Und dass die Glaubenden Anteil haben, an dem, was ihnen füreinander und miteinander gegeben ist: Häuser und Güter, Begabungen und Einsichten, das Zeugnis von Gott, das Gebet und die Anteilnahme an seinem Leben im Sakrament.

Wie weit wir davon entfernt sind, sehen wir daran, ob den Christen in der Pandemie dieses „füreinander und miteinander Haben“ eigentlich fehlt. Für die meisten Christen ist das von ihnen Erwartete die Kirchensteuer und das von der Kirche Erwartete ihre soziale und pastorale Dienstleistung.

Mir fehlt gerade nicht so sehr das FRAuto. Mir fehlen der Anblick und die Stimme der Schwestern und Brüder, ihr Tisch und ihr Haus. Mir fehlt das Zeugnis der Nachfolger der Apostel, das gemeinsame Stehen vor Gott, der Lobpreis und das „gemeinsame Brechen des Brotes“ (Apg 2,42).

Aber ich bin von Herzen dankbar, dass ich kenne, was mir fehlt, worauf ich hoffen und wofür ich streiten darf.
Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie