In den Werktagsmessen in den Münchner Innenstadtgemeinden bin ich oft einer der Jüngsten. Ich bin 53 Jahre alt. Das ist kein gutes Zeichen.
In der Kommende junger Malteser und ihrem Umfeld bin ich regelmäßig der Älteste. Mit Abstand. Da halte ich mich dann auch für ziemlich jung.
Für eine Mehrheit um mich herum bedeutet „alt“ tendenziell eher „verbraucht“, „unzeitgemäß“, „schwach“, „kränklich“ und „teuer“. „Jung“ dagegen steht für „kraftvoll“, „modern“, „neugierig“, „innovativ“ und „zukunftsorientiert“.
Eine solche Sicht gibt es auch in der Kirche. Was er denn in einer Messe „mit ein paar alten Frauen“ solle, fragte mich neulich einer, der auch nicht viel jünger war als ich.
Bei Jesus gibt es eine Relevanzumkehr. Die arme Witwe ist in den Augen vieler der Inbegriff eines menschlichen Auslaufmodells. Entsprechend irrelevant erscheint ihre Gabe am Opferkasten.
Von den Tempelbesuchern heißt es: „Viele Reiche kamen und gaben viel.“ Die arme Witwe jedoch gibt nur zwei Münzen. Aber dieses Bisschen ist „ihr ganzer Lebensunterhalt“, griechisch: ihr „bios“, also eigentlich: ihr Leben.
Hier ist das Viele wenig und das Wenige alles. Die Reichen geben etwas von sich. Die arme Witwe gibt sich. Die Reichen geben von dem, was sie haben. Die Witwe gibt, was sie ist.
Je äußerlicher das Leben wird, umso mehr gilt, was einer hat, und desto weniger gilt, was einer ist. Wer jedoch liebt, der gibt nicht nur, was er hat, sondern der gibt, was er ist. Und nur wer liebt, erkennt auch, dass das nicht wenig ist – sondern alles.
Vielleicht sollen wir in dieser Zeit sehen lernen, wo das Viele in Wirklichkeit wenig, und das Wenige in Wirklichkeit alles ist.
Und vielleicht werden wir dann sehen, dass in den Herzen von alten Frauen die junge Liebe der Kirche verborgen ist. Eine radikale Liebe, von der viele junge Menschen nur träumen können, weil sie sich noch nicht trauen, alles zu geben. Eine Liebe, die alles gibt und alles mit Gott in Verbindung bringt, weil er auch alles verwandelt.
Manchmal können wir gar nichts Besseres und Sinnvolleres tun, als „mit ein paar alten Frauen“ die Messe feiern.
Fra‘ Georg Lengerke