Geht dahin, wo’s tief ist Lk 5,1-11

Ich erinnere mich gut an die Warnung der Erwachsenen, im Freibad nicht „ins Tiefe“ zu gehen und im Meer nicht zu weit rauszuschwimmen. Wo Kinder nicht stehen können, ertrinken sie. Und draußen auf dem Meer sind die Wellen hoch und der Grund ist tief. Das Wasser ist unberechenbar und die Strömung gefährlich.

Wer sich da raustraut, muss gut schwimmen können, sein Boot beherrschen und sich mit dem Wetter auskennen. Wer das nicht vermag, bleibt lieber im Hafen oder im seichten Wasser – selbst wenn das bei Ebbe oft nur noch eine brackige Pfütze ist.

„Fahr hinaus, wo es tief ist“, sagt Jesus am Ende der Predigt zu Petrus. Professionell macht das keinen Sinn, weil die Fische nur nachts an die Oberfläche kommen. Und selbst nachts hat Petrus nichts gefangen. Aber „auf dein Wort hin“, sagt er, „werde ich die Netze auswerfen“.

Letzte Woche mit jungen Leuten beim Bibelteilen: jeder sagt ein Wort, das ihn berührt. Eine junge Frau liest vor: „Wo es tief ist“, und dann sagt sie: „Wir sollen dahin gehen, wo es in die Tiefe geht, und wir die Menschen finden, denen es mit uns um Tiefes geht.

Fahrt raus, sagt Jesus. Traut Euch was. Geht dahin, wo es gefährlich ist, wo Ihr den Unwägbarkeiten der Welt ausgesetzt seid, wo es hoch her geht und der Grund keinen Halt zu geben und unerreichbar scheint.

Vielleicht ist das auch ein Gebot der Krise: Dass wir nicht im Flachen bleiben. Da wo es nur oberflächlich um Gott und den Menschen, um die Kirche und die Schuld in ihr geht. Auch wenn es scheinbar keinen Sinn macht, weil wir schon uns Nächte lang nach allen professionellen Regeln des Fischerhandwerks vergeblich gemüht haben.

Als die junge Frau von der Tiefe spricht, denke ich, dass wir nicht zu spirituellen Flachwurzlern werden dürfen, die sich allein in der oberen Humusschicht des Heute festmachen (Mt 13,5), um dann im geistlichen Klimawandel unserer Zeit zu vertrocknen.

Wir sollen in die Tiefe gehen, zu den Wurzeln unserer Schuld und des Erbarmens Gottes, zu der „Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes“ von der Paulus im Römerbrief schreibt (Röm 11,33). Dort werden wir Menschen finden, die in der Tiefe nach dem Grund der Gründe und nach den Abgründen fragen, in die Gott in seiner Menschwerdung hinabgestiegen ist.

Vielleicht sind das heute noch nicht viele. Aber es werden viele sein, sagt das Evangelium. Spätestens dann, wenn Menschen erfahren, dass die Kirche nicht Menschen wie Fische aus dem Leben in den Tod fängt, sondern sie als Geliebte aus dem Tod ins Leben ruft.

Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie