Freude an dir (3. Advent)

15.12.2024    Zef 3,14-17

Freude an dir (3. Advent)

„Ich bin nicht böse. Ich bin nur traurig“, sagte die Mutter. Ihre Tochter hatte sie zur Weißglut gebracht. Sie hielt sich an keine Verabredung, hatte ihre Mutter angelogen, und nahm ihr Leben nicht in die Hand.

Neulich knallte es dann. Oder um ein Haar. Denn die Mutter wollte nicht, dass es knallt. Sie wollte zeigen, dass sie verletzbar und verletzt war. Und so fiel der fatale Satz: „Ich bin nicht böse. Ich bin nur traurig.“

Damit hatte sich etwas verschoben. Es ging nicht mehr um die Verletzung von Vereinbarungen, um den Verlust gemeinsamer Ziele oder um Wahrheit und Lüge, sondern um das Verletztsein der Mutter und ihre Traurigkeit. Es ging nicht mehr um das Ärgerliche, sondern um den Ärger.

So fing die Erpressung an: Wenn du das nicht tust, wenn du so nicht bist – dann geht es mir schlecht, dann werde ich traurig. Das war die Zeit, in der die Mutter ihre Tochter zu verlieren begann.

Der dritte Adventssonntag trägt den Namen Gaudete – Freut euch. Das ist zuerst eine Erinnerung der Gläubigen an die Nähe Gottes. „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ schreibt Paulus den Christen in Philippi gleich zweimal. Der Aufruf zur Freude aus dem Buch Zefanja hat es sogar in eines der berühmtesten Adventslieder geschafft: „Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir…“

Doch am Ende dieser Lesung ist noch von einer anderen Freude die Rede. Nicht von der Freude des Menschen über Gott, sondern von der Freude Gottes über den Menschen: Gott „freut sich und jubelt über dich,“ sagt der Prophet Zefanja dem Volk Israel gut 600 Jahre vor Christus, „er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag.“

Das ist erstaunlich. Denn das Buch Zefanja beginnt mit dem Zorn Gottes und seinem Gericht über Juda und Jerusalem, die „trotzige und schmutzige, gewalttätige Stadt“. Ihre Amtsträger sind Löwen, ihre Propheten sind Schwätzer und ihre Priester entweihen das Heilige. Wieder und wieder. Das Volk Gottes ist unverbesserlich. Es hat alles versaut, was zu versauen war. Es ist am Ende. Es hat seine Existenzberechtigung eingebüßt.

Also bricht Gottes Zorn über sein Volk herein und er läutert sein Volk. Doch nach der Läuterung steht das Volk nicht als spirituelle Supermacht da, die mit den Mächtigen die Welt verändert. Was in der Mitte Israels übrig bleibt, ist vielmehr „ein demütiges und armes Volk“, das „Zuflucht sucht beim Namen des Herrn als der Rest von Israel“.

Angesichts dieser Perspektive wird den Bewohnern von Jerusalem zugerufen: „Juble, Tochter Zion! Jauchze Israel!“ Das Urteil ist aufgehoben. Es ist kein Unglück mehr zu befürchten. Gott ist in der Mitte seines Volkes, über das er sich freut und jubelt – „wie an einem Festtag“.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Mutter. Ich war Mitte zwanzig. Ungefähr so alt wie meine Mutter, als sie mit mir schwanger war. Meine Mutter erzählte mir von ihrer und meines Vaters ungekannter und ihr Leben verwandelnden Freude über mich. – Denn der im Mutterleib war ja immer ich – nicht „etwas“, woraus ich später wurde.

An dieses Gespräch muss ich oft denken, und daran, wie diese Freude über mich mein Leben geprägt hat. Vor allem Entzücken über den Anblick des Babys, vor allem späteren Stolz und Schmerz. Wenn ich die alten Eltern heute frage, so hat die Freude, dass es mich gibt, und über „den heiligen Rest“ in mir alles überlebt und ausgehalten, was später kam.

Die Freude des Liebenden über den Geliebten macht ihn groß. So groß, wie er eigentlich ist. Wie klein er sich selbst auch immer gemacht haben mag. Sie erhält ihn am Leben. Sie hält die Tür auf, zu der er umkehren und durch die er heimkehren darf.

Wir können Gott beleidigen. Aber Gott ist nicht beleidigt. Uns regiert seine Liebe, nicht sein Gekränktsein. Um keinen Preis will er den Menschen verlieren. Er ist zornig, dass wir ihn, einander und uns selbst verwerfen. Und er jubelt, dass es uns gibt.

Deshalb kommt er zu uns. Deshalb bleibt er im Kommen.

Gott, du liebst deine Geschöpfe,
und es ist deine Freude, bei den Menschen zu wohnen.
Gib uns ein neues und reines Herz,
das bereit ist, dich aufzunehmen.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

BetDenkzettel 
Georg Lengerke

Der BetDenkZettel ist eine Reihe kurzer Bet- und Denkimpluse zu einem Wort aus den Schriftlesungen der Liturgie von Fra Georg Lengerke.

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