Selig8: Verfolgt um der Gerechtigkeit willen Mt 5,10

Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich (Mt 5,10).

Es ist das eine, sich nach Gerechtigkeit zu sehnen. Etwas anderes ist es, sich so für sie einzusetzen, dass das konkrete nachteilige Folgen hat. Bevor wir morgen über die Verfolgung um Christi willen nachdenken, kommen heute die in den Blick, die wegen ihres Engagements für die Gerechtigkeit verfolgt, eingeschränkt, verhaftet, verschwinden gelassen oder umgebracht werden – sei es aus einer Motivation und Prägung des Glaubens, sei es ohne sie.

Allerdings ist nicht jeder Widerspruch, nicht jede Korrektur oder staatliche oder kirchliche Einschränkung schon Verfolgung. Es gibt Eiferer in allen Lagern, die jeden Widerspruch, jede Bestreitung oder Sanktion schon für einen Beweis dafür halten, erstens im Recht und zweitens verfolgt zu sein. Vom Staat, vom Establishment, von weißen alten Männern, von Anarchisten, vom Mainstream, von Verschwörern oder Verschwörungstheoretikern oder wer weiß wem…

Es kann aber eben auch sein, dass einer einfach nur falsch liegt oder ein berechtigtes Anliegen mit unangemessenen oder ungerechten Methoden zu verbreiten oder durchzusetzen versucht.

Christen sind berufen, für die Gerechtigkeit zu streiten und zu leiden. Zusammen mit denen, die für sie streiten und leiden, ohne an Gott zu glauben. In dieses Engagement haben sie einzubringen, dass und welche Spuren die Gerechtigkeit Gottes in der Welt bereits hinterlassen hat.

Verbinde uns mit denen, Herr,
die für die Gerechtigkeit leiden,
und schenke uns
mit ihnen
schon hier Anteil
an der Gerechtigkeit des Himmels.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Selig7: Peacemaker Mt 5,9

Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden (Mt 5,9).

Der „Peacemaker“ ist ein amerikanischer Armeerevolver Kaliber 45. „Blessed the peacemakers“, lautet die englische Übersetzung der siebten Seligpreisung. Selig die „Friedensmacher“. Aber der Revolver war nicht gemeint.

Denn Friede ist nicht die Ruhe nach dem Sieg oder Machtwort des Stärkeren. Friede ist mehr als das Schweigen der Waffen. Friede besteht in der „Ruhe der Ordnung“, sagt Augustinus. Er setzt eine Ordnung voraus, in der die persönlichen Güter und die Achtung der Würde der Menschen gesichert sind.

Das bedeutet im Umkehrschluss nun nicht, dass wir solange auf Krawall gebürstet sein dürften, wie diese Ordnung nicht hergestellt ist. Denn vor dem äußeren Frieden des Zusammenlebens geht es im Evangelium immer auch um den inneren Frieden des Menschen.

Und der besteht in der Versöhnung mit Gott, mit dem Nächsten und mit dem eigenen Leben. Wir stiften Frieden, wo wir uns um Vergebung mühen: indem wir selbst vergeben, um Vergebung bitten und uns vergeben lassen.

Vergebung ist ein doppelt befreiender Verzicht: Wer vergibt, hört auf sich in seinem Opfersein zu verschließen und den Anderen an seinem Tätersein festzunageln.

Der Revolver hat sich als „Peacemaker“ nicht bewährt. Wir werden zu Friedensstiftern, wo wir uns um eine gerechte Ordnung und um Versöhnung bemühen und darauf vertrauen, dass durch all unser Mühen hindurch Gott selbst jene Gerechtigkeit schafft, die die Grundlage seines vollkommenen Friedens ist.

Versöhne uns
mit Dir und den Menschen.
Schenke Frieden
zwischen den Völkern
und unter den Religionen.
Und gib uns, was wir brauchen,
um Deinem Frieden zu dienen.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Selig6: Herzensrein Mt 5,8

Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen (Mt 5,8).

Die Herzensreinheit ist eine oft belächelte Tugend. „Gute Mädchen kommen in den Himmel. Böse Mädchen kommen überall hin!“ Wer ein reines Herz hat, hat irgendwas verpasst.

Dahinter liegt das große Missverständnis, der biblische Sündenfall sei doch eigentlich ein Glücksfall gewesen. Endlich sei der Mensch frei, könne Gut und Böse unterscheiden und Verantwortung übernehmen.

Aber Adam und Eva wussten schon vorher, was gut und böse war. Wir müssen das Böse nicht tun, um es zu kennen. Der Sündenfall besteht darin, sich die Erkenntnis von Gut und Böse von Gott nicht mehr schenken zu lassen, sondern sie sich zu nehmen.

Danach war nichts mehr Gabe und Geschenk. Weder die Schöpfung noch ihre Früchte, die Eva für den Adam nicht und der Adam für die Eva nicht. Es wird einem nix geschenkt. Was ich haben will, muss ich mir nehmen. Deshalb die Feigenblätter.

Der Sündenfall hat die Freiheit nicht gemehrt, sondern versaut. Seitdem ist die Herzensreinheit der Unfreiheit verdächtig. Aber der Mensch mit reinem Herzen hat nichts verpasst. Er schaut auf seinen Nächsten, auf Dinge, Nahrung und Natur mit einem „keuschen“ Blick. Er verzichtet darauf, sie gedanklich oder faktisch an sich zu reißen und sich einzuverleiben. Er unterscheidet die Gabe vom Unverfügbaren und lässt sich beschenken.

Die reine Absicht des reinen Herzens ist die angemessene Antwort auf die Würde der Schöpfung. Mit ihr beginnen wir schon hier den unverfügbaren Gott zu schauen.

Schenke uns ein reines Herz,
das Deinen Willen kennt und liebt,
das die Welt in Deinem Lichte sieht,
das offen ist für Deine Gaben
und in allem Ausschau hält
nach Dir.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Selig5: Beim armen Herzen Mt 5,7

Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. (Mt 5,7).

In der Kirche wird das Gebot Jesu an uns oftmals zur Forderung an die Anderen: „Seid barmherzig.“ (Lk 6,36) Manchmal, damit die Anderen sich ändern, so dass ich bleiben kann, wie ich bin; häufig aber auch als Ausdruck der schmerzlichen Erfahrung, kein Erbarmen gefunden zu haben.

Die Antwort der Seligpreisungen lautet: Erbarmen findet, wer barmherzig ist. Barmherzigkeit ist nicht die freundliche Alternative zu einer unfreundlichen Gerechtigkeit. Opfer haben selten Interesse an Barmherzigkeit gegenüber den Tätern.

Barmherzigkeit und Gerechtigkeit gewährleisten einander. Ohne Barmherzigkeit wird die Gerechtigkeit zur Grausamkeit und ohne Gerechtigkeit ist die Barmherzigkeit die „Mutter der Auflösung“, sagt Thomas von Aquin.

Barmherzig ist, wer beim armen Herzen ist. Sei es verletzt oder schuldig geworden.

Barmherzigkeit hat ein Herz für die Opfer um der Heilung Willen und ein Herz für die Täter um der Umkehr Willen. Sie nennt das Böse nicht gut, sondern hält es aus. Im Konflikt zwischen Anspruch und Wirklichkeit presst sie weder die ungerechte Wirklichkeit in den Anspruch der Gerechtigkeit, noch löst sie den Anspruch der Gerechtigkeit in der Wirklichkeit auf.

Ein hartes Herz kann nicht barmherzig sein, weil es sich von nichts bewegen lässt. Ein weiches Herz kann nicht barmherzig sein, weil es sich von allem bewegen lässt. Die Barmherzigkeit braucht ein festes, entschiedenes und mutiges Herz, das weiß, was es soll und will.

Bilde unser Herz
nach Deinem Herzen
und schenke uns ein Herz
für die Armen.
Lehre uns,
die Barmherzigkeit zu üben
und zuzulassen
nach der unser erschöpftes, wundes Herz
sich sehnt.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Selig4: Hunger nach Gerchtigkeit Mt 5,6

Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden (Mt 5,6).

Hunger und Durst sind unsere elementarsten Bedürfnisse. Deshalb sind sie in der Bibel auch ein Bild für das Lebensbedürfnis „nicht nur [nach] Brot allein, sondern [nach] jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4; Dtn 8,3). Wie der durstige Hirsch nach Wasser schreit (Ps 42,2), so schreit die Seele des Psalmisten nach dem lebendigen Gott. „Die Speise“ Jesu schließlich ist es, den Willen des Vaters zu tun (Joh 4,34).

Nun ist der Hunger nach Gerechtigkeit groß bei denen, die unter der Ungerechtigkeit leiden. Der Appetit auf Gerechtigkeit ist häufig sehr viel kleiner bei denen, die von der Ungerechtigkeit ganz gut leben. Das gilt vom Mikrokosmos unserer Beziehungen, wirtschaftlichen Verhältnisse und Erbsachen bis hin zum Makrokosmos der Verhältnisse von Staaten und Kontinenten, ihrer wechselvollen Geschichte und internationalen Beziehungen.

Vollends gesättigt werden Hunger und Durst nach Gerechtigkeit von der Gerechtigkeit Gottes, der gerecht macht und dem Menschen ganz gerecht wird.

Deshalb ist die Rede von Gottes Gericht so wichtig. Damit nicht wir als letztes übereinander richten. Damit nicht die Unbarmherzigkeit und nicht wir über andere und nicht andere über uns das letzte Wort haben. Denn Gott allein ist ganz gerecht und ganz barmherzig.

Guter Gott,
wecke in uns Hunger und Durst
nach Gerechtigkeit,
dass wir an der Ungerechtigkeit leiden,
auch wo sie uns entgegenkommt.
Und schenke uns die Sehnsucht
nach Deinem Gericht
das uns vom Urteil der Menschen befreit
und uns Deine Gerechtigkeit schenkt,
der Du allein gerecht und barmherzig bist.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie