Selig3: Sanft und mutig Mt 5,6

Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben (Mt 5,5).

In der alten Einheitsübersetzung stand hier „Selig, die keine Gewalt anwenden“. Das war mehr eine Interpretation als eine Übersetzung des Urtexts. Nun mag „sanftmütig“ etwas altertümlich und weichlich klingen. Gemeint sind Menschen, deren Gemüt mild, freundlich und bedacht ist – aber deswegen nicht weniger mutig.

Sie haben Geduld und Leidensmut, weil sie länger als andere ertragen, was eine heftige Reaktion durchaus nachvollziehbar macht. Die Sanftmütigen glauben der Hoffnung.

Das lerne ich gerade mit meinen jungen Mitbewohnern: Eigentlich sollte ich jetzt etwas sagen. Aber wenn keine Gefahr im Verzug ist, ist es besser, für einen der nächsten Tage einen Kaffee oder Spaziergang zu verabreden. Die Dinge sehen dann ein wenig anders aus und wir beide sind etwas bessere Menschen als wir es gewesen wären, hätte ich gleich interveniert.

Viele von Euch wissen schmerzlich, wie sehr eine in der Hitze geschriebene und gleich gesendete E-Mail einen Tag später von der Tugend der Sanftmut profitiert hätte.

Gerade den Sanftmütigen wird verheißen, worum sich andere Jahrtausende lang bekriegen: „Sie werden das Land erben.“ Jesus erinnert an das Gelobte Land und an den weltweiten Kampf um heiliges Terrain bis heute.

Das Land, das durch Sanftmut gewonnen wird, ist das mit Gott versöhnte und von seinem Wort und Wirken geformte Leben des einzelnen und der Gemeinschaft. Die Ausläufer dieses Landes reichen bis vor unsere Füße.

Schenke uns, Gott,
ein sanftes Gemüt.
Lass uns
Deinem Wirken Raum geben,
das uns führt
„in das Land der Verheißung,
des Lichtes und des Friedens“ (1. Hochgebet),
das vor unseren Füßen beginnt.
Amen.

Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie