Fleißig schlafen Mk 4,26–34

Ganz manchmal rauben mir Sorgen den Schlaf. Dann wache ich nachts um drei auf und schlafe nicht wieder ein, weil ich über Dinge grüble, die ich nicht ändern kann.

So ging es mir neulich vor einer Tagung in Rom. Die handelte von der Erneuerung meiner Gemeinschaft. Vorher hatte ich einem Verantwortlichen geschrieben, was ich auf diesem Weg für entscheidend wichtig halte, wenn wir den Wagen nicht an die Wand fahren wollen. Ich habe keine Antwort bekommen.

Irgendwo zwischen Wachen und Schlafen träumt mir, dass ich mein Papier dem Adressaten in die Hand gebe, wir uns anschauen und zwischen uns eine Tür zugeht. Danach habe ich tief und fest geschlafen.

Der Sämann aus dem Evangelium bereitet den Boden. Er müht sich um gute Saat. Er wählt einen Tag mit günstigem Wetter. Dann sät er. Er übergibt was er kann und hat der Unverfügbarkeit der Erde und der Nacht, damit es keimt und wächst. Ihm bleibt nichts mehr zu tun als zu vertrauen und zu hoffen – und schlafen zu gehen.

Das Entscheidende, sagt das Gleichnis, geschieht während wir schlafen.

Solches Vertrauen und solche Hoffnung schließt die Möglichkeit ein, dass das Papier ungelesen, die Saat unfruchtbar bleibt und der Wagen an die Wand fährt. Dann ist es so. Und ich konnte es nicht verhindern. Aber der, der sogar die Saat wachsen machen kann, wird auch aus unseren Katastrophen etwas zu machen wissen.

Wenn Ihr nicht schlafen könnt, dann versucht das mal: Gebt das, was Ihr gekonnt und getan habt, dorthin, wohin es gehört – in die Hände dessen, der jetzt dran ist, oder in den Boden, in dem ein Anderer wachsen lässt. Dann schließt die Tür oder deckt die Saat mit Erde.

Und wisst: Für jetzt bleibt nichts mehr zu tun als „fleißig“ zu schlafen. Gott und die Seinen sind am Zug.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Am „toten Punkt“ Mk 3,20-35

Der schlimmste Vorwurf gegen Jesus lautet: Er gehöre selbst zu den bösen Mächten, die er bekämpft.

Seine Antwort: Egal, ob es sich um ein Reich, eine Familie, eine Person oder den Satan selbst handelt – was „gegen sich selbst entzweit“ ist, wird nicht bestehen, es ist erledigt.

Die Kirche scheine „an einem gewissen ‚toten Punkt‘“ angekommen, schrieb Kardinal Marx letzte Woche.

Vielleicht hat das Ankommen an einem „toten Punkt“ auch mit ihrem „Entzweitsein gegen sich selbst“ zu tun:

Mit dem „Entzweitsein“ zwischen dem, was sie vor den Menschen scheinen, und dem, was sie von Gott her nur ungern und geniert sein will.

Mit dem Entzweitsein von Christen, Priestern und Bischöfen in Teilzeit und mit Vorbehalt eines „privaten“ Zweitlebens.

Mit dem Entzweitsein einer Atomisierung der Menschen. Die hätte geistgewirkte Vielfalt sein sollen. Jetzt aber ist ihr jeder konstitutive Konsens verdächtig geworden.

Mit dem Entzweitsein zwischen dem Ideal einer vollkommenen Kirche und ihrer mutwilligen Zerstörung, wenn schon das Ideal ohnehin nie erreicht wird.

Die Kirche kommt dauernd an den toten Punkt. Hier scheiden sich die Geister. Und hier wird sie geeint. Gerade das Ankommen am toten Punkt bewahrt sie vor dem „Erledigt-Sein“.

Ich teile die „österliche Hoffnung“ des Kardinals, dass der tote Punkt zu einem „Wendepunkt“ wird. Deshalb will ich ungeteilt Christ und Priester sein – in einer entzweiten Kirche, die geeint wird.

„Ich wünsche nicht, dass die Kirche vollkommen ist, sie ist lebendig“, schreibt Georges Bernanos. „Gleich den niedrigsten, den ärmsten ihrer Kinder, schleppt sie sich aus dieser in die andere Welt. Sie macht Fehler, sie sühnt sie, und wer für einen Augenblick den Blick von ihrem Prunk abwendet, hört sie mit uns in der Finsternis beten und schluchzen.“

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie