Warum ich bleibe Joh 6,60–69

Im Frühjahr dieses Jahres haben 30 % der katholischen und evangelischen Christen über einen Kirchenaustritt nachgedacht.

„Wollt auch ihr weggehen?“, fragt Jesus die Zwölf, nachdem viele Jünger beschließen, nicht mehr mit ihm zu gehen.

Aber die Gründe für die Distanzierung von der Kirche heute sind oft andere als jene für die Distanzierung von Jesus damals. Heute sind es die Kirchensteuer, der Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen oder die Feststellung, mit bestimmten Moral- und Gesellschaftsvorstellungen der Kirche nicht übereinzustimmen (vgl. https://fowid.de/meldung/gruende-fuer-den-kirchenaustritt).

Im Evangelium distanzieren sich die Menschen von Jesus, weil sie seine Worte und seinen Anspruch unerträglich finden. Neulich sagte mir jemand, er sei aus der Kirche ausgetreten wie man einen nie gelesenen, lästig gewordenen Newsletter abbestellt.

Ich frage mich, wie viele Leute wegen der Person und Botschaft Jesu austreten, und wie viele austreten, weil sie in der Kirche einfach schon ziemlich lange nichts mehr von ihm gehört oder wiedererkannt haben. Und mich interessiert, warum Menschen in der Kirche bleiben.

Warum bleibe ich? Nicht, weil ich glaube, dass die Kirche mich nötig hätte. Nach dem Motto: „Damit wenigstens noch ein paar Leute da sind, die was ändern können.“ Auch nicht wegen der eifrigen Professionalisierung und Verhauptamtung, wo sie uns oftmals den Charme eines Unternehmens, einer Partei oder einer Gewerkschaft gibt.

Ich bleibe, weil mir hier Einer sagt, dass Sein Wort und Wirken und Sein Dasein für mich unbedingt und unsterblich treu sind. Ich bleibe, weil hier immer noch Menschen sind, die diesem Einen geglaubt und sich Ihm angeschlossen haben und deren Leben von Ihm erzählt. Ich bleibe, weil hier der Ort ist, wo Er für mich und ich mit Ihm für die Menschen da sein will.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie