Das Fest nach dem Fest (Epiphanie)

06.01.2025    Mt 2,1-12

Das Fest nach dem Fest (Epiphanie)

Morgenandacht DLF am 6. Januar 2025

Im Vorbeifahren sah ich aus dem Auto, wie der Weihnachtsbaum im hohen Bogen aus dem Fenster der oberen Etage flog. Es war am zweiten Weihnachtstag vor einigen Jahren. Es dämmerte schon und in dem Haus brannte Licht. Trotz der Eiseskälte stand das Fenster offen. Und ich hatte kaum Zeit, mich zu darüber wundern, als der Weihnachtsbaum im Fenster erschien und – haste nicht gesehen – mit flatternden Lametta-Resten aus dem Fenster in den Vorgarten segelte.

Im nächsten Augenblick war ich schon vorbeigefahren. Offenbar war für die Bewohner des Hauses das Weihnachtsfest schon vorbei. Dabei hatte für mich das Weihnachtsfest 48 Stunden zuvor gerade erst begonnen. Woanders, dachte ich mir im Weiterfahren, fängt das Weihnachtsfest überhaupt erst nach Sylvester richtig an.

Die östliche Christenheit, also die orthodoxen und orientalischen Kirchen, feiern das Weihnachtsfest erst heute, am 6. Januar. Nicht die Geburt Christi ist der unmittelbare Festanlass, sondern die „Epiphanie“, die „Erscheinung des Herrn“, wie der offizielle Titel des Festes heißt, das oft auch das „Fest der heiligen drei Könige“ genannt wird.

Der Evangelist Matthäus erzählt, dass drei Weise aus dem Osten einem Stern folgend nach Jerusalem gekommen seien, um einem „neugeborenen König der Juden“ zu huldigen. Der dortige Herrscher und sein Hof erschrecken angesichts der Nachricht von dem geheimnisvollen Kind. Dennoch befragen die Hoftheologen die alten Schriften und schicken die drei Fremden in das benachbarte Bethlehem. Dort finden sie das Kind und seine Mutter, fallen vor ihm nieder und erweisen ihm die Ehre, wie sie nur einer Gottheit gebührte.

Die frühen christlichen Theologen haben in den drei Weisen die Erfüllung einer alten Verheißung gesehen: Wenn in Jerusalem einmal die Herrlichkeit Gottes offenbar wird, dann kommen alle Völker nach Jerusalem und geben Gott die Ehre. Die Weisen aus dem Morgenland sind nicht länger bloß Gelehrte, sondern Könige – Stellvertreter ihrer Völker, Ethnien und Weltgegenden.

In der Verborgenheit der biblischen Erzählung geschieht aus der Perspektive der frühen Christenheit also etwas für alle Menschen Bedeutsames. Nachdem die drei dem Kind gehuldigt hatten, erzählt der Evangelist, „holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.“

Diese Gaben sagen bildlich etwas über den Beschenkten und die Schenker aus: „Gold ist etwas, das dem König gebührt. Weihrauch gehört zum Opfer, das man Gott darbringt. Mit Myrrhe wird der Leib von Toten gesalbt.“, schreibt Gregor der Große im 6. Jahrhundert. Für ihn werden die Gaben zu einem Bekenntnis zu diesem Kind als König der Welt, als wahrer Gott und als sterblicher Mensch.

Aber die Gaben sagen auch etwas über die Menschen, um derentwillen Gott Mensch geworden ist. Das Gold erzählt von ihrer königlichen Würde. Der Weihrauch bezeichnet ihre Fähigkeit, einen Sinn über sich hinaus und eine Beziehung zu Gott zu finden. Die Myrrhe schließlich erinnert sie an ihre Sterblichkeit, die Gott als Kind zu seiner gemacht hat, damit die Menschen göttliches Leben empfangen, das unsterblich ist.

Heute ist der zweite Weihnachtstag schon zehn Tage her. Und viele werden den Weihnachtsbaum – wenn nicht aus dem Fenster geworfen, so doch – bereits entsorgt haben. Aber vielleicht erinnert uns heute Morgen dennoch das Kind in der Krippe an die königliche Würde des Menschen, an einen Sinn über uns selbst hinaus und an die Verheißung von Unsterblichkeit, von der das heutige Fest erzählt.

Denn mitunter geschieht das Entscheidende erst dann, wenn wir meinen, es sei schon vorbei.

BetDenkzettel 
Georg Lengerke

Der BetDenkZettel ist eine Reihe kurzer Bet- und Denkimpluse zu einem Wort aus den Schriftlesungen der Liturgie von Fra Georg Lengerke.

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