07.01.2025
Morgenandacht DLF am 7. Januar 2025
Nach Weihnachten habe ich meine Eltern besucht. Sie sind mittlerweile alt – versorgen sich aber noch selbst. Geistig sind beide hellwach – körperlich jedoch unterschiedlich gut zurecht. Das gleicht die Mutter in der Sorge um den Vater so gut es geht aus. Sie sind einander anvertraut.
Als wir abends beieinandersitzen, muss ich daran denken, dass auch ich im Anfang diesen beiden Menschen anvertraut war. Eltern können Kinder ja nicht „machen“. Sie können nur die Bedingungen schaffen, dass sie werden. Und in ihrem Fall waren diese Bedingungen meines Werdens Ausdruck einer großen Liebe. Sie haben uns Geschwister empfangen und angenommen, uns werden und losgehen lassen. Das war nicht immer einfach. Aber einmal mehr empfinde ich an diesem Abend eine große Dankbarkeit. Wir sind einander anvertraut.
Wenn die Christenheit in diesen Tagen auf die Weihnachtskrippe schaut, schaut sie auf das Bild von Menschen, die einander anvertraut sind. Das sind die Bedingungen unter denen Gott der Sohn als Mensch in die Geschichte der Menschen eintritt.
Die Hirten finden das Kind nicht einfach alleine irgendwo herumliegen. Das Evangelium erzählt, sie „fanden Maria und Josef und das Kind, das in einer Krippe lag“. Und gut 50 Jahre später schreibt der Apostel Paulus der Gemeinde in Galatien: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau.“ Gott macht sich angewiesen und vertraut sich uns an. Oder genauer gesagt: Er vertraut sich einer von uns an, Maria aus Nazareth, die mit ihrer ganzen Existenz Ja dazu sagt.
Dieses Anvertrauen Gottes spielt in der Bibel von Anfang an eine Rolle: In der Schöpfungsgeschichte vertraut Gott den Menschen seine Sichtbarkeit an, denn er erschuf sie „als Bild Gottes“, wie es dort geschrieben steht. (Gen1,27). Nicht weil wir so aussähen wir er. Gott ist unsichtbar. Sondern weil er sich sichtbar machen will im Menschen, der sein Bild sein darf. Und so vertraut er den Glaubenden sein Wort und den Liebenden seine Gabe zu lieben an
Und Gott verbindet sich mit denen, die uns anvertraut sind: mit den Kindern und den Alten, mit den Einsamen und den Traurigen, den Nackten, Hungrigen und denen, die kein Zuhause haben. Er sagt: Was wir ihnen getan haben, das haben wir ihm getan.
Und schließlich sagt uns Gott, dass wir Ihm einander anvertrauen sollen. Das geschieht in Gebet und Segen. Wer segnet, sagt: Ich vertraue dich der Liebe, der Macht und der Treue Gottes an, die über meine hinausgeht. Segen hat mit Freigabe und Sendung zu tun. Mit dem Verzicht, den anderen durch Hilfe von mir abhängig zu machen.
Heute muss ich besonders an den Muttersegen denken. Den bekomme ich, seitdem ich denken kann. Als ich neulich von den Eltern aufbreche, zeichnet meine Mutter beim Abschied wie immer ein Kreuz auf meine Stirn: „Gott schütze dich, mein Junge!“ Der „Muttersegen“ hat eine ganz eigene Würde. Einfach deshalb, weil Gott uns zuallererst unseren Müttern anvertraut hat.
Vor Jahren sah ich nach einer Trauung, wie die achtzigjährige Großmutter der Braut von der hundertvierjährigen Urgroßmutter der Braut im Rollstuhl Abschied nahm. Sie küssten einander und dann machte die Ältere ein Kreuz auf die Stirn der Jüngeren und sagte: „Gott segne dich, mein Kind!“
Das hat mich damals sehr gerührt. Wir bleiben für immer jemandes Kind. Deshalb können wir auch immer um den Segen der Eltern bitten, übrigens auch wenn sie längst gestorben und bei Gott sind.
Gott hat uns einander anvertraut. Er hat sich selbst uns anvertraut. Und Er wirbt darum, dass wir uns Ihm anvertrauen und Seinem Segen in diesem noch so neuen Jahr.
BetDenkzettel