Feindesliebe nach der Wahl

23.02.2025    Lukas 6,27-38

Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen!“ (Lk 6,27)

„Hatte sie Feinde?“ werden im Krimi die Angehörigen des Mordopfers gefragt. Wenn ich das mal frage, wird das meistens verneint. Gegner, ja. Aber Feinde? Nun wird oft gar nicht zwischen Feind und Gegner unterschieden. Jeder Feind ist auch ein Gegner, aber nicht jeder Gegner ein Feind.

Mein Gegner ist gegen das, was ich sage oder tue. Mein Feind jedoch ist gegen mich und gegen das, was ich bin. Aber was ich bin und was ich tue, ist nicht dasselbe.

Der Gegner will mich überzeugen oder gewinnen. Der Feind will mich ausschalten oder vernichten.

Mancher glaubt, er hätte keinen Feind. Dabei hat er den einfach nur abgeschrieben oder ausgeblendet. Damit ist aber er selbst zum Feind des Anderen geworden. Er wünscht sich, dass es ihn nicht gäbe.

Ein politisch engagierter Bekannter sagte mir neulich über eine Gruppe politischer Gegner: „Es fällt mir schwer, aber ich möchte sie verstehen. Ich möchte wissen, wo sie einen Punkt haben. Und ich will ihnen sagen, wo ich widersprechen muss. Aber sie wollen einfach nicht reden. Und sie wollen nicht hören. Sie haben sich eingeschlossen in ihren Weltsichtbunker und ihre Meinungsblase, außerhalb derer es nur Lüge, Korruption, Diskriminierung und Verschwörung gibt.“

Er war sich nicht sicher, ob sie nicht bereits seine Feinde waren – und ob er nicht gerade dabei war, seinerseits ihr Feind zu werden. Zugleich wusste er, dass Kommunikationsabbruch der stille Anfang vom Ende der Demokratie ist.

Es kann sein, dass ich Feinde habe. Ich soll allerdings Sorge tragen, niemandes Feind zu sein. Mehr noch: Das Evangelium sagt, wir sollen auch unseren Feind lieben.

Feindesliebe heißt nicht, das Böse gut zu nennen. Sie bedeutet, dem, der mir böse ist, gut zu sein. Das kann auch bedeuten, ihm zu widersprechen, seine Meinung zu bekämpfen – und gleichzeitig dafür einzutreten, dass er sie äußern darf. Sie bedeutet, den Teufelskreis zu durchbrechen, in dem wir zu den Netten nett und zu den Blöden blöd sind.

Das Ziel der Feindesliebe ist für den Christen nicht der Sieg über den Feind, sondern der Sieg mit dem Feind. Und der besteht darin, mit ihm irgendwann einmal bei Gott anzukommen. Wer den Feind liebt, hat schon gewonnen, selbst wenn er ihm unterliegt. Weil er ihn ein stückweit ertragen und hingetragen hat zu Gott, der einmal der Richter beider sein wird.

Feindesliebe vollzieht das unbedingte Ja Gottes zu jedem Menschen mit. Auch, wenn das, was er sagt und tut, Widerspruch oder Widerstand erfordert. Dieses Ja ist der Ursprung seiner Würde. Die ist zu achten – unabhängig von Alter und Ort, Angewiesenheit oder Selbstständigkeit, Herkunft oder Hautfarbe, Geschlecht, Gesinnung oder Glaube.

Dieses mühsame und schmerzliche Ja Gottes zum Menschen sollen wir mitvollziehen. Zu jedem. Auch und gerade im Streit. An dieses Ja haben wir heute zu erinnern. Heute erst recht. Jeden, der heute gewählt wurde. Und jeden, der heute gewählt hat.

Fra’ Georg Lengerke

BetDenkzettel 
Georg Lengerke

Der BetDenkZettel ist eine Reihe kurzer Bet- und Denkimpluse zu einem Wort aus den Schriftlesungen der Liturgie von Fra Georg Lengerke.

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