30.03.2025 Lukas 15,1-3.11-32
Manchmal bleiben Leute kleben. Am Honigglas, in der Schule oder auf der Straße. Auch beim Gleichnis vom verlorenen Sohn geht es um einen, der klebt.
Einer von zwei Söhnen bricht ohne erkennbaren Grund mit seinem Vater, verlangt sein Erbe, verlässt sein Zuhause, bringt alles durch, landet schließlich in der Fremde und dort in der Gosse, wo ihm das Nötigste zum Leben fehlt.
Dann heißt es, „er ging zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf“. Im Griechischen steht da das Wort kollao, auf Deutsch kleben (auf Französisch coller). Einer wirft alles, was er war und hatte, weg und verliert dabei sich selbst. In der Fremde „klebt“ er sich an einen Mächtigen, der jemand ist, etwas hat und vieles kann, und also hoffentlich auch für ihn etwas tun wird.
Aus Krisenzeiten kann man das kennen. Je unsicherer und fragwürdiger die eigene Identität wird, umso verlockender wird es, sich mit anderen zu identifizieren, sich an sie zu hängen, wie sie sein oder von ihnen leben zu wollen. Auf diese Weise hofft der Mensch, der inneren Leere, der Gestaltlosigkeit und Irrelevanz des eigenen Lebens zu entfliehen, und wieder „jemand zu sein“ – zumindest in den gnädigen Augen dessen, an den er sich geklebt hat.
Eine solche Anfrage kann zeitweilig zu einem Reifungsprozess hin zur eigenen Identität und Lebensgestalt dazugehören.
Gefährlich wird es dort, wo solches „Kleben“ zu einer Lebenshaltung und Überlebensstrategie wird. Sei es als Einzelner oder als Gemeinschaft. Sei es als Hermelinfloh im Pelz des Potentaten und seiner Clique, sei es als Mitläufer mit der Macht der Menge oder Mode. Die Klebrigen sammeln sich um die Mächtigen an den Polen der Extreme.
Aber dem Verlorenen hilft es nicht, sich an den Mächtigen in der Fremde zu kleben. Für den Bürger ist der verlorene Sohn bestenfalls ein nützliches, schlimmstenfalls ein lästiges Anhängsel. Er schickt ihn zum Schweinehüten. Dort bekommt er nicht mal vom Abfall des Schweinefutters. Da ist keine Hand, die gibt.
Was nährend, sinnstiftend und identitätsgebend sein sollte, erweist sich im Gegenteil als aussichtloser Kampf um Geltung und Relevanz, als geistige und geistliche Unterernährung, als Unfreiheit und Bedeutungslosigkeit.
Der Ausweg und Heimweg beginnt mit einem scheinbar kleinen Schritt, der in Wirklichkeit der größte ist: „Da ging er in sich.“
Der Mensch, der seines Erbes und seiner selbst überdrüssig ist und beides verwirft, findet den Ursprung seiner Würde, den Sinn seines Lebens, die Ermächtigung zum Lieben nicht bei den Mächtigen in der Fremde.
Er findet sie in der Erinnerung an seinen Ursprung und sein Ziel, im In-sich-Gehen zum Herz des geliebten und angenommenen Kindes, das er ist und nicht mehr sein wollte, weil er meinte, bei sich selbst besser aufgehoben zu sein. – Bis er sich an den Fremden klebte.
Die Fastenzeit kann ein Weg nach Hause werden. Zu dem, der auf uns wartet. Zu dem, der unbedingt Ja zu uns sagt. Zu dem, der seinen eigenen Sohn verloren gibt, damit wir Verlorenen gefunden werden und nach Hause finden.
Fra’ Georg Lengerke
BetDenkzettel