Wortwertschöpfung

25.05.2025    Johannes 14,23-29

Wortwertschöpfung

Caravaggio, Hl. Hieronymus beim Schreiben, 1605/1606

Mit Worten ist es wie mit Gütern: Gibt es zu viele davon, verlieren sie an Wert. Zumindest wird es schwerer, zu unterscheiden, auf welches Wort es ankommt.

Nach jüdisch-christlichem Verständnis bedient sich Gott menschlicher Worte, um sich Menschen zu offenbaren. Zunächst durch inspirierte Männer und Frauen, durch Seher und Propheten – und an einem Punkt der Geschichte unübertroffen in der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Am Ende seines irdischen Lebens sagt der: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen.“ (Joh 14,23)

Wenn wir einen Menschen lieben, dann ist uns auch lieb, was er sagt. Wir glauben es ihm und merken es uns. Wir halten fest, was er selbst sagt, was andere von ihm oder in seinem Namen sagen, und auch das, was in seinem Sinne gesagt wird, uns an ihn erinnert und „nach ihm klingt“.

So geht es den Christen mit Christus, wenn er sagt, sie sollen sein „Wort halten“: Gemeint ist vor allem sein Wort im Evangelium; dann das Wort, das die Apostel und Evangelisten von ihm sagen; und schließlich das Wort der Zeuginnen und Zeugen der Kirche und eines jeden Menschen, der „im Geist Christi“ spricht (1 Kor 2,16).

In meiner Jugend habe ich viele Briefe erhalten und geschrieben. Diese Korrespondenzen haben die Beziehungen unter uns Freunden und uns selbst geprägt – bis heute. Wir haben unsere Worte durchdacht und abgewogen, haben gemeint, was wir sagten, und ernst genommen, was wir voneinander lasen und hörten. Unsere Worte waren eine Weise, beieinander zu sein.

Heute schreibe ich weniger Briefe und produziere mehr Worte. Ich bin mittendrin in einer Wortflut menschlichen und maschinellen Ursprungs. Umso wichtiger wird die Unterscheidung, welches Wort wahr und wichtig, sinnvoll und gut ist, welchem Wort ich in mir Raum gebe und welches für mich maßgeblich und lebensprägend ist – und schließlich: in welchem Wort Gott sich mir mitteilt und zu mir und zu den Anderen kommt.

Im Zugehen auf Pfingsten betet die Kirche um den Heiligen Geist. Von dem heißt es, dass er die Jünger neu reden und verstehen lehrt. Und ich bitte, dass er uns lehrt, der Wortwertschöpfung zu dienen, Gott zu lieben und sein Wort zu halten, in dem er bei uns Menschen wohnen will.

Fra‘ Georg Lengerke.

BetDenkzettel 
Georg Lengerke

Der BetDenkZettel ist eine Reihe kurzer Bet- und Denkimpluse zu einem Wort aus den Schriftlesungen der Liturgie von Fra Georg Lengerke.

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