01.06.2025 Johannes 17,20-26
Philippe de Chamapaigne, Hl. Augustinus (1645)
Je grundsätzlicher und unversöhnlicher die Auseinandersetzungen um den Weg der Kirche geführt werden, umso drängender stellt sich die Frage nach Kriterien ihrer Einheit.
Mitten in den Polarisierungen dieser Zeit stellt Papst Leo XIV. seinen Dienst unter ein Wort des hl. Augustinus über die Einheit: „In diesem Einen eins – In illo uno unum.“
Die Vorstellungen über die Einheit sind denkbar verschieden. Sie reichen vom entgrenzten „Einswerden mit allen Menschen guten Willens“ bis hin zum „Auf-Linie-Bringen möglichst vieler“ in dogmatischer Engführung. In dieser Spannung lebt die Kirche: Sie ist einerseits zu allen Menschen gesandt und lebt andererseits aus der Konkretion der Offenbarung des dreifaltigen Gottes.
Für Jesus besteht die Einheit der Kirche nicht zuerst in der Einigkeit ihrer Mitglieder untereinander, sondern in der Einheit mit ihm. Und zwar auf die gleiche Weise, wie er mit Gottvater eins ist.
Das führt zu einer tiefen Verbundenheit mit Leuten, mit denen mich äußerlich wenig verbindet, von denen ich aber weiß, dass es ihnen um die Einheit mit Christus und um die Liebe zu ihm und mit ihm zu den Anderen geht. Und es offenbart eine Distanz zu Menschen, mit denen ich zwar äußerlich vielfältig verbunden bin, aber kaum Gemeinsamkeiten im Glauben an Gott in Christus habe.
Die Einheit der Kirche wird uns in dem Maß geschenkt, in dem wir die Einheit mit Jesus Christus suchen. Nicht bloß mit einer bestimmten Vorstellung von ihm, sondern mit dem offenbarten und bezeugten Herrn in der Schrift und im Zeugnis der Kirche von den Aposteln bis heute. Das schließt unterschiedliche Ansichten, Auffassungen und Perspektiven ein, um die „in Christus“ gerungen und von denen aus gemeinsam nach Gottes Willen gefragt werden soll (das meint „Synodalität“).
Auf dem Weg zur Einheit sind die Christen dort, wo sie miteinander beten (ohne Unvereinbares zu leugnen), einander danach fragen, wer Christus für sie ist und wer sie für Christus sind, und miteinander in seinem Namen für die Kleinsten und Schwächsten da sind. Das ist die Disposition für die Einheit, die Gott der Kirche schenken wird.
Sein Wahlspruch lässt mich hoffen, dass Papst Leo uns mit der Frage nicht in Ruhe lassen wird: Worin sind wir eins?
Fra‘ Georg Lengerke.
BetDenkzettel