BDZ vom 6. Juli 2025
Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und sagten voller Freude: Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan. (Lk 10,17) Vor fast jeder Wohnung in unserem Haus liegt eine Fußmatte. Schlichte oder mit Motiven und Sprüchen bedruckte. Eine amüsiert mich täglich: „Welcome“ steht da und darunter zwei Kätzchen. Allerdings steht das ganze auf dem Kopf. So als gälte das „Willkommen!“ nicht etwa den Gästen, die kommen, sondern den Bewohnern, die...
Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und sagten voller Freude: Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan. (Lk 10,17)
Vor fast jeder Wohnung in unserem Haus liegt eine Fußmatte. Schlichte oder mit Motiven und Sprüchen bedruckte. Eine amüsiert mich täglich: „Welcome“ steht da und darunter zwei Kätzchen. Allerdings steht das ganze auf dem Kopf. So als gälte das „Willkommen!“ nicht etwa den Gästen, die kommen, sondern den Bewohnern, die gehen. „Willkommen draußen in der Welt!“ sagt die Matte den Bewohnern. So als wollte sie ihnen die Angst vor dem Fremden nehmen, das sie dort erwartet, oder sie zu einer neuen Wahrnehmung der Wirklichkeit einladen, in die sie mit der Überschreitung ihrer Wohnungsschwelle eintreten.
Um eine neue Wahrnehmung der Wirklichkeit geht es bei der Aussendung der 72 Jünger. Sie werden ausgesandt, um zu dienen und zu herrschen.
Das mit dem Dienen ist den meisten irgendwie plausibel. Das mit dem Herrschen jedoch ist vielen verdächtig. Vor allem denen, die mit Macht und Herrschaft schlechte Erfahrungen gemacht haben. Aber zum Dienst gehört die Befreiung. Und zur Befreiung gehört, dass wir – wo möglich – Macht gewinnen über die Dämonen unseres Lebens. Also über jene Mächte und Gewalten in uns, die uns treiben und binden, entfremden und erniedrigen, entmündigen und instrumentalisieren.
Deshalb rüstet Jesus die Jünger nicht mit lauter nützlichen Dingen aus, sondern mit Vollmacht. Das muss eine überwältigende Erfahrung gewesen sein. „Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan“, sagen sie jubelnd nach ihrer Rückkehr.
Wer diese Vollmacht, die Gott verleiht, wiederentdecken will, muss als erstes sein Misstrauen gegenüber dem Phänomen der Macht überwinden. Macht heißt machen können. Dieses Vermögen ist etwas Gutes. Was einer damit macht, kann schlecht sein. Wer jedoch mit ihrem Missbrauch auch die Macht abschaffen will, missbraucht seinerseits seine Macht, entmächtigt die Opfer ein zweites Mal und bindet sie an die Rolle der Entmächtigten.
Und zweitens kann es hilfreich sein, jene Kräfte und Bewegungen, die uns umtreiben und unfrei machen, einmal zu personalisieren. Dazu müssen wir zunächst gar nicht über deren metaphysisches oder paranormales Wesen diskutieren. Auch die Liebe oder die Weisheit werden in der Bibel und in der Poesie ja als Personen besungen.
Es reicht, Triebe als Treiber, Leidenschaften als Leidschaffende, Laster als Lästige und Bedrängnisse als Bedränger zu verstehen und zu benennen.
Wer das Unsägliche benennt, hat seine Macht schon gebrochen. Und wer „im Namen Jesu“ spricht, spricht gemeinsam mit dem, der Macht über die Mächte hat.
Man probiere das einmal aus: Für sich oder im Gebet mit anderen zu sagen: „Im Namen Jesu widersage ich dem Geist des Vergleichens, …dem Geist der Erniedrigung, …dem Geist der Unreinheit.“
Damit beginnt sich die Wahrnehmung der Welt zu verändern. Weil wir nicht länger ein Spielball der Mächte sind.
„Willkommen“, sagt die Fußmatte meines Nachbarn. Und ich gehe los.
Fra‘ Georg Lengerke
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