Zwei oder drei Mt 18,15-20

„Wo sind die Leute, mit denen Du Jesus in der Mitte hast?“, fragte mich vor Jahren ein Franziskanerpater.

Ich muss gestehen, dass mir die Frage damals irgendwie auf die Nerven ging. Ich fand sie betulich und irgendwie störend. Meine Reaktion ähnelte meinem Empfinden von Peinlichkeit, als meine Eltern in den 90ern im Zuge einer geistlichen Erneuerung bei den Maltesern das gemeinsame Gebet neu entdeckten.

Aber seitdem begegne ich Menschen, für die diese unbeantwortete Frage die größte Glaubensnot bedeutet. Auch wenn sie selbst sie oft so nicht formulieren würden:

Wo sind die Menschen, mit denen ich auf Gott höre, schaue und ausgerichtet bin? Wer sind die, von denen ich mir in Jesu Namen etwas sagen lasse – über Gott, über das Leben der Anderen mit Ihm, über mich selbst? Wo sind die, denen ich Zeugnis und Korrektur schulde?

Es kostet Überwindung, mich Gott anzuvertrauen. Ob ich es wirklich getan habe, merke ich daran, ob ich mich den Brüdern und Schwestern anvertrauen kann. Das ist – je nach Nähe – mitunter zunächst ungewohnt, befremdlich oder peinlich.

Wir können die Gottesliebe und die Nächstenliebe nicht trennen, weil Gott den Nächsten nicht ohne mich und mich nicht ohne den Nächsten lieben will und ich ohne meine Nächsten von Gott nichts wüsste.

Wir können die Sakramentalität und die Gemeinschaftlichkeit der Kirche nicht trennen, weil wir das Sakrament immer nur voneinander, füreinander und miteinander für die Anderen empfangen und sein können.

Schenke mir,
dass ich mich traue,
mich meinen Nächsten
und Dir
anzuvertrauen.
Verbinde mich
mit einem oder zweien,
damit
wir zwei oder drei
in Deinem Namen versammelt sind
mit Dir mitten unter uns.
Amen.
Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Denkt doch, was Ihr wollt 1 Kor 4,1-5

„Es ist mir egal, was Ihr über mich denkt.“ Das würden viele Menschen gerne sagen können. Stattdessen raubt ihnen die Sorge über das Urteil der anderen den Schlaf. Anderen ist das Urteil ihrer Mitmenschen egal. Die machen nur das, was ihnen gefällt.

Solche Selbstgerechtigkeit ist Paulus fremd. Er möchte als „Diener Christi“ und als „Verwalter von Geheimnissen Gottes“ wahrgenommen werden. Und was er „verwaltet“ bzw. „austeilt“ (im lateinischen Text ist von „dispensatores“, „Verteilern von Mysterien Gottes“ die Rede) gehört nicht ihm und nicht den Menschen, sondern Gott.

Paulus selbst wusste, dass Jesus Christus auch durch das Urteil und Wort von Schwestern und Brüdern zu uns redet, uns ermahnt und korrigiert. Dennoch darf sich das Zeugnis der von Gott anvertrauten Offenbarung und Liebe nicht letztlich vom Urteil der Menschen bestimmen lassen.

Selbst sein eigenes Urteil steht unter Gottes Vorbehalt. Dass er sich selbst nichts vorzuwerfen hat, sagt Paulus, macht ihn noch nicht unschuldig. Gott ist es, der ihn zur Rechenschaft zieht.

Es geht Paulus nicht um die Narrenfreiheit von charismatisch Begabten. Es geht um die Unbestechlichkeit der „Verteiler der Mysterien Gottes“. Wer diese Weitergabe wegen Drohung oder Applauses von Menschen verweigert oder verfälscht, soll wissen, dass die Absicht seines Herzens einmal offenbar wird und er sich einem Urteil stellen muss, das nicht das von Menschen ist.

Paulus ist glaubwürdig, weil er sich dem Gericht dessen stellt, „der das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen und die Absichten der Herzen aufdecken wird“. Wie immer das ausgehen mag. Er vertraut darauf, dass schließlich, „jeder sein Lob von Gott erhalten“ wird.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Selig7: Um meinetwillen Mt 5,11-12

Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel. (Mt 5,11-12).

Auch wenn die Kenntnis der weltweiten Verfolgung der Christen und die Solidarität mit ihnen zuletzt zugenommen hat – noch immer halten viele das „Christentum“ für eine bürgerliche Realität, die sich auch gut ohne die Kirche in einer angepassten „Anständigkeit“ erschöpft.

Wo wir uns mit dem Schicksal der heute verfolgten Christen, der Märtyrer und ihrer Familien, beschäftigen, da kann uns beschämen, welchen Preis Menschen für die Freundschaft mit Christus zu bezahlen bereit sind.

Eines der verletzlichsten Güter eines Menschen ist sein guter Ruf. Wenn man „alles Böse über Euch redet um meinetwillen“, dann kommt das mitunter einem weltweiten gesellschaftlichen Todesurteil gleich.

Ein erster Schritt wäre es, das Lächeln zu ertragen, wo wir ehrlich waren, wo es keiner mehr ist; für arrogant zu gelten, wo wir nicht mit anderen schlecht über Dritte redeten; nicht mehr eingeladen zu werden, weil wir uns vor einen Schwächeren stellten.

Menschwerdung Gottes bedeutet, dass Gott teilnimmt am Leben eines jeden Menschen. Christwerdung des Menschen bedeutet, dass einige teilnehmen am Leben Gottes als Mensch. An seiner Botschaft, an seiner Liebe zu den Menschen, an seinem Leiden. Leiden um Christi Willen, das ist der Ernstfall des Christseins.

Guter Gott,
Du nimmst teil
an unserem Leben in der Welt.
Lass uns teilnehmen
an Deinem Leben als Mensch,
an Deiner Botschaft,
an Deiner Liebe zu den Armen und Kranken
und an Deinem Leiden.
Damit wir mit unseren Nächsten
immer mehr
die Deinen werden.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Selig8: Verfolgt um der Gerechtigkeit willen Mt 5,10

Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich (Mt 5,10).

Es ist das eine, sich nach Gerechtigkeit zu sehnen. Etwas anderes ist es, sich so für sie einzusetzen, dass das konkrete nachteilige Folgen hat. Bevor wir morgen über die Verfolgung um Christi willen nachdenken, kommen heute die in den Blick, die wegen ihres Engagements für die Gerechtigkeit verfolgt, eingeschränkt, verhaftet, verschwinden gelassen oder umgebracht werden – sei es aus einer Motivation und Prägung des Glaubens, sei es ohne sie.

Allerdings ist nicht jeder Widerspruch, nicht jede Korrektur oder staatliche oder kirchliche Einschränkung schon Verfolgung. Es gibt Eiferer in allen Lagern, die jeden Widerspruch, jede Bestreitung oder Sanktion schon für einen Beweis dafür halten, erstens im Recht und zweitens verfolgt zu sein. Vom Staat, vom Establishment, von weißen alten Männern, von Anarchisten, vom Mainstream, von Verschwörern oder Verschwörungstheoretikern oder wer weiß wem…

Es kann aber eben auch sein, dass einer einfach nur falsch liegt oder ein berechtigtes Anliegen mit unangemessenen oder ungerechten Methoden zu verbreiten oder durchzusetzen versucht.

Christen sind berufen, für die Gerechtigkeit zu streiten und zu leiden. Zusammen mit denen, die für sie streiten und leiden, ohne an Gott zu glauben. In dieses Engagement haben sie einzubringen, dass und welche Spuren die Gerechtigkeit Gottes in der Welt bereits hinterlassen hat.

Verbinde uns mit denen, Herr,
die für die Gerechtigkeit leiden,
und schenke uns
mit ihnen
schon hier Anteil
an der Gerechtigkeit des Himmels.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Selig7: Peacemaker Mt 5,9

Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden (Mt 5,9).

Der „Peacemaker“ ist ein amerikanischer Armeerevolver Kaliber 45. „Blessed the peacemakers“, lautet die englische Übersetzung der siebten Seligpreisung. Selig die „Friedensmacher“. Aber der Revolver war nicht gemeint.

Denn Friede ist nicht die Ruhe nach dem Sieg oder Machtwort des Stärkeren. Friede ist mehr als das Schweigen der Waffen. Friede besteht in der „Ruhe der Ordnung“, sagt Augustinus. Er setzt eine Ordnung voraus, in der die persönlichen Güter und die Achtung der Würde der Menschen gesichert sind.

Das bedeutet im Umkehrschluss nun nicht, dass wir solange auf Krawall gebürstet sein dürften, wie diese Ordnung nicht hergestellt ist. Denn vor dem äußeren Frieden des Zusammenlebens geht es im Evangelium immer auch um den inneren Frieden des Menschen.

Und der besteht in der Versöhnung mit Gott, mit dem Nächsten und mit dem eigenen Leben. Wir stiften Frieden, wo wir uns um Vergebung mühen: indem wir selbst vergeben, um Vergebung bitten und uns vergeben lassen.

Vergebung ist ein doppelt befreiender Verzicht: Wer vergibt, hört auf sich in seinem Opfersein zu verschließen und den Anderen an seinem Tätersein festzunageln.

Der Revolver hat sich als „Peacemaker“ nicht bewährt. Wir werden zu Friedensstiftern, wo wir uns um eine gerechte Ordnung und um Versöhnung bemühen und darauf vertrauen, dass durch all unser Mühen hindurch Gott selbst jene Gerechtigkeit schafft, die die Grundlage seines vollkommenen Friedens ist.

Versöhne uns
mit Dir und den Menschen.
Schenke Frieden
zwischen den Völkern
und unter den Religionen.
Und gib uns, was wir brauchen,
um Deinem Frieden zu dienen.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie