Uns steht das Wasser bis zum Hals Mk 1, 7–11

Von einem Menschen, dessen Not an den Rand des Lebbaren geht, sagt man: „Ihm steht das Wasser bis zum Hals.“ Mehr darf nicht kommen – oder er ertrinkt.

Viele, die heute um ihr wirtschaftliches oder familiäres, körperliches oder psychisches Überleben kämpfen, könnten das sagen: „Mir steht das Wasser bis zum Hals!“ (vgl. Ps 69,2)

Auf alten Darstellungen der Taufe Jesu ist es Jesus, dem das Wasser bis zum Hals steht. Der Jordan wird hier zum Bild des Todes, auf dessen Grund die verblassten Gestalten der Verstorbenen anwesen.

„Hatte Jesus es nötig, sich von Johannes als Zeichen der Umkehr taufen zu lassen?“ könnten wir fragen. Und Augustinus fragt zurück: „Hatte der Herr nötig, geboren zu werden? Hatte der Herr nötig, gekreuzigt zu werden? Hatte der Herr nötig, zu sterben?“

Nicht er hatte es nötig, sondern wir. Jesus reiht sich ein in die Schlange der Menschen, denen das Wasser bis zum Hals steht. Die zum Jordan kommen, weil sie spüren, dass es so nicht mehr weiter gehen kann.

Er geht ihren Weg mit – bis ganz nach unten. Nicht zufällig wird der Ort der Taufe Jesu am tiefsten Punkt der Erdoberfläche verehrt: nahe der Jordan-Mündung am Toten Meer (428 m unter Meeresspiegel).

Weihnachten endet liturgisch an der tiefsten Stelle der Welt. Gerade dort offenbaren der Vater und der Geist Jesus als den geliebte Sohn und authentischen Offenbarer Gottes. Aus der Umkehrtaufe des Johannes wird unsere Eintauchung in die Teilhabe am Leben Jesu.

In Ihm kommt Gott an unsere tiefste Stelle, an der uns das Wasser bis zum Hals steht. Und wir dürfen ihm glauben, dass er mit uns durchs Wasser ins neue Leben geht und dass wir jetzt schon geliebte Töchter und Söhne im Sohn sind.

Fra‘ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie