Schlechter Rat ist teurer Apg 1,12–14

Mit dem Corona-Virus kam die Stunde der Besserwisser. Je komplizierter Sachverhalte werden, umso inflationärer wird schlechter und umso teurer wird guter Rat. Die Empfänglichkeit für schlechten Rat wächst mit dem Leiden an der Ratlosigkeit.

Ich leide lieber an Ratlosigkeit, als dass ich schlechten Rat annehme. Denn am Ende kommt schlechter Rat teurer. Einen guten Rat für Krisenzeiten gibt uns heute die Apostelgeschichte. Nach der Himmelfahrt Jesu gehen die Jünger wieder nach Jerusalem, kehren in das Obergemach zurück, „blieben dort ständig“ und „verharrten einmütig im Gebet“.

„Bleibt“, „seid einmütig“ und „betet“ – das war für uns in der „Kommende junger Malteser“ in München seit dem 16. März ein guter Rat. Die Tatsache, dass wir unter dem Dach zwei benachbarte Wohnungen mit einer Kapelle bewohnen, hatte uns schon zu Beginn an das „Obergemach“ erinnert. Während des Lockdowns haben wir zu fünft täglich morgens und abends gebetet und die Hl. Messe gefeiert. An letzterer haben wir nach Möglichkeit anderen durch das „Fenster“ einer Liveübertragung Anteil gegeben.

In diesen Wochen treiben mich drei Fragen um:

Haben wir erstens genügend dafür geworben und darum gerungen, dass wir miteinander beten dürfen?

Wurden zweitens die staatlich erlaubten Möglichkeiten gemeinsamen Betens eigentlich ausgeschöpft oder waren wir „staatlicher als der Staat“?

Und schließlich vor allem drittens: Wollen wir Christen das eigentlich: „einmütig betend“ zusammenbleiben?

Die Kirche im Anfang wollte das. Aber nicht genötigt durch eine Ausgangssperre. Sondern in Erwartung der verheißenen Kraft Gottes für die Sendung in die Welt.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Nachhilfe bei Eheleuten Apg 18,23-28

Es gibt Menschen, die kennen sich in einer bestimmten Materie aus, die aber nur wenig Folgen für ihr Leben hat. Von Apollos heißt es heute, er sei redebegabt und kenne die Schrift, er wisse, wie Christsein („der Weg des Herrn“) geht und wer Jesus ist und dass er davon feurig reden könne. So weit so gut.

„Doch er kannte nur die Taufe des Johannes“, erzählt Lukas. Er weiß, dass es Umkehr braucht, um den Weg Jesu zu gehen. Er weiß, was er tun muss. Aber er weiß offenbar noch nicht, was Jesus an ihm in der Taufe tut und was es heißt, durch die Taufe in die erkennbare Liebe Jesu zu allen Menschen hineingenommen zu werden.

Apollos braucht Nachhilfe. Und die bekommt er von einem Ehepaar, Priszilla und Aquila, die schon länger Freunde und Mitarbeiter des Paulus sind. Von einer Familie des Apollos hören wir nichts. Die Beschreibung seines Wirkens klingt eher, als wäre er wie Paulus ganz verfügbar für die Verkündigung des Evangeliums und den Gemeindeaufbau unterwegs gewesen.

Die Nachhilfe bei Priszilla und Aquila erinnert mich an das wechselseitige Zeugnis, dass Verheiratete und zölibatär Lebende in der Kirche einander geben sollen.

In der Ehe werden Mann und Frau zum Sakrament der Liebe Gottes füreinander und miteinander für die Menschen um sie herum. In der Ehelosigkeit „um des Himmelreiches Willen“ werden manche in einer Weise von Gott in Anspruch genommen, dass sie sich unter den Menschen mit ihnen zum Himmel ausstrecken.

Die Eheleute bezeugen den Ehelosen die Liebe des Himmels zur Erde, damit auch die Ehelosen mit dem Himmel die Erde lieben. Die Ehelosen bezeugen den Eheleuten die Liebe der Erde zum Himmel, damit die Eheleute mit der Erde den Himmel lieben.
Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Verborgene Verbündete Apg 18,9-18

Die Stadt Korinth muss für Paulus ein Angang gewesen sein. Die nächtliche Stimme wird ihm nicht grundlos gesagt haben: „Fürchte dich nicht! Rede nur, schweige nicht! Denn ich bin mit dir, niemand wird dir etwas antun. Viel Volk nämlich gehört mir in dieser Stadt.“

Die Stimme widerspricht zwei Versuchungen der Christen bis heute: Zu glauben, das Evangelium würde heute draußen keinen mehr interessieren. Wir sollten daher daraus eine mehrheitsfähige Botschaft der Menschlichkeit jenseits von Offenbarung, Dogma und Bekenntnis machen. Oder zu meinen, die Leute seien eben dumm oder böse, und deshalb bleibe man besser unter sich. Die würden dann schon merken, was sie davon haben.

Es gibt viele Christen, denen sind die verborgenen Verbündeten der Kirche unheimlich. Gemeint sind nicht nur die anständigen Leute, die nichts gegen die Kirche haben und das Gute wollen. Sondern die unerkannten Mystiker, die eine Erfahrung gemacht haben, die ein Geheimnis mit Gott im Herzen tragen, über das sie nicht sprechen können, nicht sprechen wollen, oder zu sprechen nie die Gelegenheit hatten.

Zu meinem Volk gehören mehr als Du denkst, sagt die Stimme. Menschen, mit denen ich – wie mit Dir – schon Wege begonnen habe, die zu einem gemeinsamen werden sollen.

Zeig mir in meiner Stadt
Dein verborgenes Volk, Herr:
die Menschen,
die nach Deiner Art lieben,
die sich nicht trauen, sich zu Dir zu bekennen,
die die Würde jedes Menschen verteidigen,
von seiner Zeugung bis zu seinem natürlichen Tod,
die leiden
an der Ungerechtigkeit der Welt,
an der Unergründlichkeit des Leidens
und an der Müdigkeit
der ihnen fremden Kirche

und draußen vor ihren Türen
auf ihr Erwachen warten.
Amen.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie

Einander genommen und gegeben werden Apg 1,1-11

Die alte Dame hatte mich gebeten, sie die letzte Wegstrecke zu begleiten. Es sollten uns vier Wochen bleiben. Sie war hellwach bis zum Schluss. Wir sprachen über Vergebung, Abschied und Heimweh und darüber, was es heißt, das Zeitliche zu segnen.

In ihren letzten Tagen dann eine kleine „heilige Meinungsverschiedenheit“. Ihre Enkel wollten von ihr Abschied nehmen, und von ihr – nachdem Corona ihr nun wirklich nichts mehr anhaben konnte – gesegnet werden. Behutsam habe ich bei ihr für dieses Anliegen geworben.

Sie fühlte sich den Enkeln nahe. Diesen Gedanken jedoch fand sie pathetisch und irgendwie „bürgerlich“. Sie wollte wohl auch von den Kindern nicht mehr so gesehen werden. Vor allem aber wollte sie keinen großen Bahnhof und keine Rührung mehr am Sterbebett. Dann sagte sie: „Näher können wir einander hier nicht mehr kommen. Aber näher werden wir einander aus der Vollendung sein.“

Darum geht es an Christi Himmelfahrt. Näher kann Jesus den Menschen irdisch nicht mehr kommen. Er muss den Jüngern, ihren Blicken, ihren Gewohnheiten und der beginnenden nachösterlichen Routine genommen werden, um ihnen neu gegeben werden zu können. Und zwar so, dass er nicht mehr nur den Jüngern, sondern mit ihnen allen Menschen gegeben wird.

Noch schauen die Jünger dem Herrn in den Himmel nach. Bald werden sie lernen, nach ihm auszuschauen, wie er durch alles Irdische hindurch da sein wird für sie und mit ihnen für alle Menschen.

Noch schauen wir der alten Freundin nach. Bald werden wir ausschauen nach ihr, wie sie zusammen mit dem erhöhten Herrn von Zuhause aus für uns da sein wird.

Fra’ Georg Lengerke

Schott Tagesliturgie